Abenteuerreise mit Urlaubsfeeling (Sicherheitstraining Flugschule Achensee)

Juli 11, 2018
Advance Pi Hermann

Einigermaßen rot im Gesicht höre ich in der gemeinsamen Videoanalyse meinem Kreischen zu. Peinlich! Aber vor allem: Stolz und bis in die Haarspitzen glücklich. Das Sicherheitstraining der Flugschule Achensee am Idrosee war eine schaukelige Reise in die eigene Gefühlswelt mit einem fulminanten Happy End.

Ich hasse Achterbahnen. Ich habe meine gesamte Kindheit diese Fahrten erfolgreich gemieden, einfach, weil ich es hasste, in einer Drehung in den Sitz gedrückt zu werden. Dieses Gefühl, wenn sich in einem alles zusammenzieht, der Blick eng wird, man einfach nur raus will… Nicht meins.
So. Gar. Nicht. Meins.

Die Angst vor der Steilspirale

Gewitter Idrosee ItalienWährend der fünfstündigen Fahrt an den Idrosee zu unserem ersten Gleitschirm-Sicherheitstraining ging mir dieser Gedanke nicht aus dem Kopf. Macht das überhaupt Sinn? Was wird passieren, wenn ich mich selbst diesem Gefühl aussetzen muss? Werde ich womöglich vor lauter »ich werde das nie mögen« die Lust am Gleitschirmfliegen verlieren? Immerhin ist die Steilspirale ein essenzieller Bestandteil des Fliegens, wie wir es langfristig vor haben. Der Kopf, der Kopf… Es würden anstrengende Tage werden, so viel stand fest.

Unter Profis

Theorie Gleitschirm Kammgriff

Und dann waren wir da. Ein gutes Dutzend Teilnehmer saßen in den Raum direkt an dem malerischen See – bunt gemischt und zumindest mal niemand wie wir. Ich kam mir ein wenig außerirdisch vor – wir, mit einem süßen Monat Flugpraxis die absoluten Greenhorns im Kurs, noch dazu mit unserem Climb&Hike&Fly-Ansatz und den Outdoorklamotten einigermaßen exotisch. SAT? HELIKOPTER? HERMANN? Ich verstand nur Bahnhof, als die anderen von ihren Plänen sprachen.

Eki Maute: Ein echter Charakter

Punktlandung Landung Gleitschirm Eki Maute

Wir waren aber nicht die einzigen Exoten, denn mitten in unserem Stuhlkreis saß ein Löwe mit bemerkenswerter Mähne, ebenso bemerkenswertem Grinsen und vor allem einer ausstrahlenden Ruhe, wie ich sie noch selten erlebt habe. »Geh zum Eki Maute! Er ist ein bisschen speziell, aber der Hammer!« wurde uns im Vorhinein von verschiedenen Seiten geraten.

 

Den Partner kennenlernen

Eki Maute Simulator IdroseeNun saß eben dieser vor uns und es war schnell klar, was mit diesem »speziell« gemeint war: Die Ratschläge waren unkonventionell, die Pädagogik außergewöhnlich und gleichzeitig so gut, wie ich sie ganz sicher noch nie erlebt habe. Der Gleitschirm über uns (»unser Partner«) bekam eine ganz neue Bedeutung, sein Verhalten wurde plötzlich verständlich, die nötigen Reaktionen völlig einleuchtend.

Allein wegen der Theorie, die zu keiner Sekunde nur ansatzweise langweilig wurde, hatte sich das Sicherheitstraining schon gelohnt.

Individuelle Achterbahn

Pi Advance Start SicherheitstrainingAber da gab es eben auch noch den anderen Teil: die Praxis. Vier Tage kämpfte ich mit mir selbst und dem intensiven Unbehagen beim ersten Hauch von G-Belastung.

Immer wieder versorgte mich Eki per Funk mit verschiedensten Tricks, wie ich mich bis in die richtige Spirale trauen würde, ließ aber gleichzeitig auch viel Raum – wohl auch, weil er mit seiner Jahrzehnte langen Erfahrung gleich gesehen hat, dass es bei mir vielleicht einfach ein bisschen länger dauern würde.

Helfende Schreie

Paar Sicherheitstraining

Und während die anderen die Spirale am ersten Tag abhakten und bereits unbeschwert in Negativrotationen und Komplettdeformationen herumschleuderten, kreiste ich ein ums andere Mal um meine Angst in der Spirale. Mal einarmig, mal besonders angebremst – und zunehmend schreiend. Was anfangs von den meisten noch eher als Freudenschreie gedeutet war, hatte damit eher wenig zu tun. Aber irgendwann kam ich drauf: Eben dieses Schreien könnte der Schlüssel zum Erfolg sein, auch wenn es später bei der Videoanalyse einigermaßen unangenehm war, sich selbst so zu hören 😉

Helfender Partner

Urlaub Idrosee SIcherheitstrainingUnd so vergingen die Tage. Meine Stimmung schwankte zwischen Zweifel und Zuversicht, die lauen Abende am wunderschönen Strand vom Idrosee machten letztendlich aber doch Urlaubsfeeling inmitten dieser Abenteuerreise. Aufgepäppelt mit Eis, italienischem Kaffee und vielen guten Gesprächen mit dem Lieblingsmensch ging es in den letzten Tag. Zwei Flüge waren heute veranschlagt, keinen mehr, damit auch jeder noch sicher nach Hause kommen würde.

Alles erreicht!

Landung Landeplatz IdroseeDas Mutbudget war aufgefüllt, die Motivation, das ganze Training zu einem Happy End zu führen, war groß. Und so ging es beim ersten Flug in die Spirale, wild schreiend und irgendwann dann tatsächlich: Jauchzend. Endlich drin, endlich stabil über mehrere Kreise und endlich die Gewissheit, die sich für die Zukunft sofort ins Hirn bohrte: Es passiert ja gar nichts! Ich hätte an dieser Stelle schon heimfahren können – ich hatte alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte.

…es geht noch mehr?

Sicherheitstraining Klapper Pi AdvanceBeim zweiten, letzten Flug des Training entschied ich mich noch einmal dazu, den Schirm einseitig wegklappen zu lassen – eine Sache, die einem in der freien Wildbahn immer wieder mal passieren kann. »Seitlicher Klapper« nennen das die Großen – das Ziel ist, den Schirm sofort zu stabilisieren, damit er nicht in eine Rotation verfällt.

Das klappte einwandfrei bis zu dem Moment, als durch das Funk kam, was ich irgendwie befürchtet hatte. Oder war es eher: …erhofft hatte? »Wenn du willst, lass dich nach rechts fallen und geh in die negative Drehung – du kannst mit der Außenbremse jederzeit abbremsen! Oder lass Dich weiter drehen – womöglich sogar bis in den Hermann, wenn du willst!«

Naja, das nächste Mal…

Advance Pi Hermann

Der Schrei, der kam, als aus der Vorwärtsdrehung plötzlich eine Rückwärtsdrehung wurde, dürfte wahrscheinlich noch am Brenner zu hören gewesen sein. Nach gefühlt ungefähr einer hundertstel Umdrehung war auch schon Schluss mit Mut und gleichzeitig Schluss mit Drehung. Ein »Hermann« – die volle Rückwärtsrotation mit einem halb eingeklappten Schirm – war es nicht, aber hey, immerhin war genug Mut da, zumindest im Ansatz in das Manöver zu gehen. Auch darum geht es beim Sicherheitstraining, denn die meisten Manöver sind an sich nicht kompliziert, man muss sich nur überwinden und dann dabei bleiben. Ich hatte mich zumindest überwunden! Alles gut!

Zufrieden

Startplatz Idrosee AlpoIch war zufrieden. Eine letzte Landung, Schluss mit Sicherheitstraining. Alles gut, das wäre ja zu schön gewesen, wenn ich plötzlich einen »Hermann« geflogen hätte, den hatte ja nicht mal der Michi gemacht. Ich landete, packte in Seelenruhe meine Sachen. Fröhlich. Rundum zufrieden. Bis es hinter mir plötzlich schrie. „Beeil Dich, du kannst nochmal mit hochfahren!“. Das Herz verarbeitete die Nachricht noch, während sowohl das Engelchen als auch das Teufelchen auf der Schulter wild vor Freude hüpften: »Los, gib Gas! Nochmal, nochmaaaal!«

Mister Hörmään!

Und so ging es nur wenig später in einen dritten, völlig unvorhergesehenen Flug. Und mit dem wohl lautesten, ehrlichsten Schrei dieses Trainings in eine dreimalige Rückwärtsrotation. Der »Hermann«. Ein Manöver, das ich mir nicht zugetraut hatte und nichts weniger simuliert, als einen Absturz. Die Ausleitung klappte einwandfrei – der »Absturz« war verhindert. Das Gefühl danach? Pures Adrenalin. Stolz. Echte Freude. Und: eine kaputte Stimme.

Hat sich das Sicherheitstraining gelohnt?

Eki Maute Landung Strand SymphoniaNatürlich hat es sich gelohnt, es gibt wohl kaum jemand, der das verneint. Nun sind wir zwar auch noch pure Newbies in diesem Business und haben keinen Vergleich, aber ja, auch für uns war es eine der ganz, ganz besonderen Erfahrungen im Leben. Und dabei geht es nicht nur um die Sicherheit beim Fliegen und eingeprägte Hinweise für die Zukunft (Wie ist meine Höhe? Wo ist außen?), sondern um all die Kleinigkeiten, die das Training von Eki Maute so besonders machen:

Die inspirierende Art, die unglaubliche Pädagogik, der Charme und Witz, die Ruhe und nicht zuletzt die unübersehbare Liebe zu seiner Cordula. Ganz abgesehen von dem unglaublich entspannten Idrosee mit seinen 21°C Wassertemperatur, dem schönen (leeren!) Strand und der guten Verpflegung. Urlaub, Inspiration, Sicherheit. Eine großartige Kombination.

»Es war perfekt!«

Einer der Teilnehmer sagte im Abschlussgespräch, dass er bereits drei Sicherheitstrainings bei anderen Schulen absolviert hatte, aber hier am Idrosee innerhalb der ersten zwei Tage mehr gelernt hatte, als bei allen anderen zusammen. Das glaube ich sofort.

Und auch das Feedback, das der Michi im Nachhinein mehrmals wiederholte, sagt alles: »Ich weiß nicht, wie man es besser machen könnte. Das war einfach… perfekt!«. Nach anfänglicher Skepsis ein ganz besonderes Lob, dem ich nur zustimmen kann.

Keiner musste über Grenzen gehen.
Aber jeder hat’s getan.

Das Training eignet sich vor allem nicht nur für Adrenalinjunkies, die gerne wild mit ihrem Schirm herumwirbeln möchten, sondern vor allem auch für die anderen, die einfach ein wenig länger brauchen. Keiner musste über Grenzen gehen, wenn er das nicht wollte – und am Ende hat es doch jeder getan und seine Komfortzone vergrößert. Nahezu alle hatten Flugmanöver geflogen, von denen sie noch vor fünf Tagen nicht einmal geträumt hatten. Es waren Tage, die wir wohl beide nicht so schnell vergessen werden. Ein absolut außergewöhnliches Erlebnis – in sämtlichen Belangen.

 

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Sicherheitstraining Flugschule Achensee

Egal ob Anfänger wie wir, erfahrene Streckenpiloten oder irgendwas dazwischen: Das Sicherheitstraining bei der Flugschule Achensee ist meiner Meinung nach für jeden der richtige Ort. Es wird ganz individuell auf die eigenen Fähigkeiten eingegangen, niemand wird zu etwas überredet, was er nicht wirklich will. Mit Angst und Zweifeln wird sensibel umgegangen, als ausgebildete Mentaltrainerin ist Cordula die ideale Ansprechperson in solchen Belangen.

Besonders schön ist, dass den Leuten Selbstverantwortung zugetraut wird und Selbstreflexion und kritisches Hinterfragen geschürt wird: „Glaubt nicht einfach alles  – probiert es selber aus und bildet Euch Eure eigene Meinung!“. Auch die Empfehlung, einfach mal ein Sicherheitstraining bei einer anderen Flugschule zu buchen, spricht für sich.

Am Ende ist es aber der außergewöhnliche, positive Charakter und die bemerkenswerte Pädagogik von Eki Maute, die das Training zu etwas Außergewöhnlichem machen.

 

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Wir haben das Sicherheitstraining auf eigene Kosten unternommen, der Artikel entstand ohne Absprache und aus freien Stücken.

Fotocredit: Alle bis auf das erste und siebte Foto sowie sämtliche Videos sind von der Flugschule Achensee.

Wir fliegen den Pi2 von Advance, anfangs beide mit 23qm, inzwischen bin ich allerdings beim 19er, der meiner Gewichtsklasse deutlich besser entspricht. Der schöne Nebeneffekt: In dieser Größe passt der gepackte Schirm locker in eine Einkaufstasche und wiegt noch süße 2,5 kg. So stelle ich mir das Fliegen vor 🙂 Und nein, auch hier gibt’s keine #Werbung: Wir haben uns die Ausrüstung ganz regulär gekauft.

 

 

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5 Comments

  • Reply Wolf Marchand Juli 12, 2018 at 12:19 pm

    Guter Artikel zu einem tollen Kurs!
    Wünsche Euch weiterhin viele schöne Fluge.
    Gruss Wolf 🙂

    • Reply ulligunde Juli 12, 2018 at 12:21 pm

      Hey Wolf,
      wie cool von Dir zu lesen! Für uns beide bist du uns als kleines Hike&Fly-Vorbild in Erinnerung geblieben 🙂 Wenn du mal im Allgäu sein solltest, melde Dich gerne!
      Liebe Grüße,
      Erika

  • Reply Annette August 8, 2018 at 11:59 am

    Hallo Erika,

    wie kommt es, dass Du in Deinem ersten Sicherheitstraining fast nur Steilspirale trainierst und glaubst, dass sie ein sehr wichtiges Manöver ist?

    Aus meiner Sicht ist die souveräne Reaktion auf Klapper jeglicher Art das wichtigste Trainingsziel für eine frisch gebackene Pilotin. Dazu als Abstiegshilfen B-Stall, Big Ears mit Beschleuniger inkl. Wing-Overs. Damit kommst Du sicher runter ohne den G-Belastungsstress. Denn in heftig steigenden Luftmassen eine Spirale einzuleiten ist nicht so einfach. Probier’s mal beim nächsten Thermikflug aus.

    Always happy landings,

    Annette

    • Reply ulligunde August 8, 2018 at 12:01 pm

      Hi Annette,
      danke für Deinen Kommentar – ich glaube um diese grundlegenden Inhalte kommt man bei seinem ersten Sicherheitstraining beim Eki gar nicht drumrum, keine Sorge 😉
      LG,
      Erika

  • Reply Ecki Januar 25, 2019 at 4:09 pm

    Find ich gut! Hatte als Kind immer Schiss vor Karusselfahren ausser Kettenkarusell. In den 90ern hab ich dann in einem Vergüngungspark in Budapest in einer Schiffschaukel entdeckt – wenn ich richtig laut lache ist das flaue Gefühl im Magen weg und es macht richtig spaß.
    Danach hab ich dann alles gefahren was sich überschlägt, bitte gern mehrfach.
    Früher beim Abseilen in Höhlen oder ähnliches hatte ich immer Probleme beim Einstieg, das ist bis heute geblieben. Auch wenn ich hier bei mir in der Arbeit an die gläserne Brüstung des Atriums herantrete wird mir leicht komisch.
    Seltsamerweise ist das beim Klettern oder beim Gleitschirmfliegen überhaupt kein Problem. Eben nur, wenn ich von oben in eine Senkrechte Wand abseile, oder an eine Kante heran gehe. Das trainiere ich bewusst regelmäßig und lehne inzwischen einigermaßen entspannt an der Glasbrüstung des Atriums im 6 Stock.
    Beim Klettern ist mir aber in letzter Zeit aufgefallen, dass wenn ich anderen zusehe und die an ne
    schwierige stelle kommen es mich beim Sichern im Bauch kitzelt – dem muss ich mal nachgehen.
    Beim Fliegen hatte ich mal das Phänomen, das ich bei einer Übung Vollkreis aus dem Rollen heraus, die vorher anstandlos geklappt hatte plötzlich den Schwung nicht mehr mitnehmen konnte wie zuvor. Der Kopf wollte aber irgendwie hat mein Körper die Energie vernichtet und das Pendel wieder zur Ruhe gebracht. Das nächste mal wenn ich an so ne Stelle komme werde ich mir ein Beispiel an dir und Markus Gründhammer nehmen – der lacht ja in seinen Videos auch immer so dreckert laut los 🙂 dann klappt das bestimmt besser.
    Übrigens schönes Blog!
    LG Ecki

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