Es muss kälter sein als sonst. Dass das Auto innen mit Eis überzogen ist, ist üblich. Auch, dass der Wasserkanister eine dünne Eisschicht zeigt. Dass aber der Tee noch während wir ihn trinken einfriert, die Milchtüte eher an Briketts und die Bananen hart wie Stein sind, obwohl sie wie immer gut eingemummelt auf den Morgen gewartet hatten, das war noch selten. (Perla Azzura, Langental, Dezember 2017)
Aber Motivation schlägt Mimimi und so wanderten wir mit dem ersten Licht zu dem entlegensten Eisfall, den man sich im Langental überhaupt aussuchen kann. Die »Perla Azzura« und die benachbarte »Tunnel« erfordern ein paar Stunden vermeintlich flachen Zustieg im Talboden, der sich als nicht ganz so flach, aber sehr wohl als sehr lang herausstellte.
Wir sind sicher schneller als ihr!
Auf halbem Weg sahen wir unseren Plan, genüsslich allein zu zweit im Eis unterwegs zu sein, schon wanken. Hinter uns pirschte sich eine fitte Seilschaft an, sie hatten es ganz offensichtlich sehr eilig. Ich spürte Groll in mir. Das ist es, was ich am Eisklettern womöglich am wenigsten mag: Der (verständliche) Kampf um das »als erster am Einstieg«. Da wird überholt und abgekürzt, gehastet und gespurtet. Gegrüßt vielleicht schon noch, macht man ja so am Berg, aber wir sind die ersten, schon klar, oder?
Vielleicht auch nur Einbildung, aber zu oft hatte ich schon das Gefühl, dass man als langsame Seilschaft abgestempelt wird, weil eine Frau dabei ist. Ich könnte kotzen. Mir verging schlagartig die Lust.
Piovra? Könnt ihr haben
Aber falscher Alarm, auf beiden Seiten. Als klar wurde, dass wir nicht zur berühmten Piovra abbogen, entspannte sich die Situation, die Verfolger gingen wieder normales Tempo, mein Puls ebenfalls.
Eine Stunde später holten wir eine sechsköpfige Schneeschuhtruppe ein, so weit hinten im Tal wurden langsam die Möglichkeiten für Ausweich-Eisfälle rar. Die wollen doch nicht etwa? Hinter uns tauchten zwei weitere Aspiranten auf, total entspannt, ganz freundlich. Sie blieben hinter uns, wir kamen ins Gespräch. Richtig nette Leute!
Die Schneeschuhgruppe bog ab, die Seilschaft hatte die gleiche Tour wie wir vor. Wir überließen ihnen die womöglich etwas spektakulärere »Tunnel«-Route und auch den Vortritt in der der gemeinsamen ersten Seillänge. Eilige hatten wir es nicht und um ehrlich zu sein: So dick vereist wie auf dem Topo sah die ganze Geschichte irgendwie nicht aus. Die Chancen standen gut, dass wir heute nur eine Seillänge echtes Eis haben würden. Aber vielleicht da hinten im Schlund?
Durch versunkenes Eis
Ich wühlte durch die erste Seillänge, ein bisschen Eis, etwas mehr Schnee, von WI3 doch recht weit entfernt. Während die Lady der anderen Seilschaft (Bergführer-Anwärterin, wie cool!), die nächste Seillänge souverän führte (das Eis war versunken oder womöglich auch gar nicht da), unterhielt ich mich mit dem Wolkensteiner Hotelier und Bergretter. Er schimpfte über die Schneeschuhgruppe und über deren Fahrlässigkeit, bei den aktuellen Lawinenverhältnissen deren Tour zu versuchen und freute sich gleichzeitig herzlich, dass wir beide so verliebt in seine Heimat waren.
Inzwischen war meine persönliche Ropegun die Schlüssellänge schon längst oben und während ich hinterherhackte, ärgerte ich mich, dass ich den Mann nicht nach dem Namen seines Hotels gefragt hatte. Das wäre ja mal was – in einer echten, warmen Unterkunft beim Eisklettern übernachten. Microadventure quasi, das hatten wir schließlich noch nie!
Wühlmodus: ON
Von Adventure war der Ausblick vom nächsten Stand dann aber doch etwas entfernt. Schnee. Tiefer Schnee. Wir überlegten, gleich umzudrehen, ich krabbelte wenigstens noch vor und schaute, wie es um die Ecke aussah. Mit gutem Willen waren zwei kleine Eisstufen zu erkennen, bei der einen könnte man womöglich sogar eine Schraube gebrauchen. Ich wühlte vor. Bis ich meinen Stand an der zweiten Stufe in heilloser Spindrift aufgebaut hatte, stand er auch schon hinter mir. Ach, der Typ <3
Er wühlte weiter, ich nahm ihn erst gar nicht in die Sicherung, das Gelände war so flach, da war ein Absturz nur mit größter Mühe zu machen. Irgendwann war das Seil aus, beim Hinterherkrabbeln hörte ich den süßen Klang von Hauen in Eis und viel zu schnell danach ein: »Stand! Hier ist Schluss!«
Hübsches Finale
Die letzte Stufe war ganz cool, steil, etwas fragil, aber eben nach fünf Metern auch schon wieder um. Hinter ihm nur noch mehr Wühlterrain. Klare Entscheidung, da brauchte es nicht viele Worte. Wenige Handgriffe später befanden wir uns wieder in der Retoure. Abseilen, Ablaufen, Abklettern, ein bisschen wühlen, zum Einstieg nochmal echtes Abseilen mit noch echterem Seilverheddler. Diese dünnen Seile!
Etwas später waren wir wieder im Talboden, deutlich später am Auto. Gefroren war immer noch alles, wir auch, denn so richtig warm war es bei der Neigung nicht geworden. Selbst unser Auto sprang nur noch schwer an, das will was heißen. »Und was machen wir heute Abend, Pinky?«, fragte er. »Das gleiche wie jedes Mal!« L Ciamin, zumindest im Winter unsere zweite Hood, denn neben sagenhafter Pizza gibt es vor allem: Warme Räume 😉
Diese Ausrüstung war mit bei der Perla Azzura im Langental dabei:
(Zur ganzen Übersicht »Ausrüstung beim Eisklettern«)
// Die Pizza-Empfehlung entstand ohne Absprache, sondern aus freien Stücken und ehrlicher Begeisterung. Die Pizzen sind der Hammer. Und das Tiramisu! ESST DAS TIRAMISU!
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