Besser klettern: In den achten (und neunten) Grad

Juni 11, 2016

Die Siebener klappen schon gut? Cool! Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht: Bei mir gingen die siebener relativ schnell, die achter haben ehrlich gesagt ziemlich lange auf sich warten lassen. Bei Männern ist das gefühlt etwas anders – sie klettern auch noch achter relativ schnell. Aber auch bei ihnen kommt dann irgendwann der Dämpfer. Die gute Nachricht: Wenn Du die Tipps für die sechser und siebener wirklich verinnerlichst, dürften die achter auch schnell funktionieren! Hier meine ganz subjektiven Tipps, wie Du den nächsten Grad erreichen kannst:

Viel klettern!

Wie immer hilft auch beim Sprung in den achten Grad: Viel klettern! Jetzt ist es wichtig, viele 7 und 7+ zu klettern und hin und wieder mal achter zu probieren. Du musst einerseits lernen, diese kleinen Griff zu halten und musst neue Bewegungen erlernen, die du in leichteren Routen evtl. noch anders lösen und damit umgehen konntest. Habe Geduld!

Identifiziere Deine Schwächen

Klettern im AllgäuSetze Dich mit Dir selbst auseinander: Wo bist Du stark, wo liegen Deine Schwächen? Bei uns Frauen ist es meistens die Fingerkraft, die ganz gut ist – wir können Leisten einfach gut halten. Dafür liegen uns häufig Sloper, weite Züge oder Überhänge nicht. Was erfahrungsgemäß aber die meisten Frauen am aller meisten limitiert, ist der Kopf. Hinterfrage Dich: Wo fällst Du aus den Touren raus? Oder fällst Du gar nicht, weil Du vor jedem schweren Zug lieber „zu“ sagst? Wenn Zweiteres zutrifft, arbeite an Deinem Kopf! Trainiere generell einfach Deine Schwächen, entweder an der Wand oder auch im Boulderraum.

Trainiere Deine Schwächen II:

Sollte der Kopf das Problem sein, findest Du hier ausführliche Tipps, wie Du den Kopf trainierst und hier, wie Du am effektivsten Sturztraining betreibst. Ansonsten ist das beste Training für den achten Grad immer noch einfach viel klettern! Viele Routen hoch und runter bzw. mehrere hintereinander, im Winter ausgiebig bouldern gehen und auch mal schwere Boulder projektieren. Krafttraining ist meiner Erfahrung beim Sprung in den achten Grad noch nicht wirklich wichtig, meistens limitiert viel mehr der Kopf oder fehlende Technik. Wenn Du es dennoch tun willst, sei unbedingt vorsichtig!  Gehe es langsam an. Training am Campusboard ist enorm verletzungsanfällig. Mache keine ruckartigen Bewegungen, stelle die Finger auf keinen Fall auf, hänge nicht in den lockeren Schultern und winkle die Ellbogen etwas an.

Sloper trainieren

Sloper können auch mit dem Zlagboard trainiert werden.Sollten Sloper Dein Problem sein, könntest Du zum Beispiel am Campusboard einfach das Hängen üben  – vorausgesetzt, dort gibt es die ganz großen Sloper. Ansonsten suche Dir im Boulderraum einfach bestimmte Griffe, an denen Du hängst. Je nachdem wie gut Du die Griffe halten kannst, zum Beispiel 8 Sekunden lang, dann 10 Sekunden Pause, dann wieder 8 Sekunden hängen. Insgesamt 5 – 10 Mal hängen – je nachdem, wie viel du schaffst. Das hängt auch sehr von dem Griff ab. Das wiederholst Du zwei, drei Mal (Pausen dazwischen etwa 2 Minuten) und legst damit schon einen guten Grundstein. Achte unbedingt darauf, nicht „an den Knochen“ zu hängen, sondern die Schultern kräftig nach unten zu ziehen, sodass Du Dich mit Muskelkraft hältst und nicht an den Gelenken hängst. Sonst machst Du Dir die Schulter kaputt!

Fingerkraft trainieren

Beim Trainieren daheim fürs "besser klettern"Sollte Dir Fingerstrom fehlen, suche Dir passende Boulder und übe diese. Achte darauf, möglichst die Finger nicht aufzustellen – „Finger aufstellen“ bedeutet, dass dein erstes Fingergelenk nach oben abgeknickt wird. Dadurch kann man zwar Griffe oft besser halten, es ist aber auch sehr verletzungsanfällig. Vermeide es, wo es geht! Wenn Du unbedingt ans Campusboard willst, hänge Dich nur an die Leisten und ziehe nicht wild nach oben. Das sieht bei den Profis immer cool aus, demoliert Dir aber im untrainierten Zustand ganz schnell die Ringbänder, die Ellbogen und die Schultern. Fange langsam an! Suche Dir eine Leiste, die Du gut halten kannst, ohne die Finger aufzustellen (!). Hänge dort 8-10 Sekunden dran, je nachdem wie gut Du sie halten kannst. Mache 10 Sekunden Pause und hänge wieder 8-10 Sekunden. Hänge insgesamt 5-8 Mal, mache dann eine Pause von 2 Minuten und wiederhole das Hängen noch ein, zwei Runden. Wenn Du Schwierigkeiten hast, die Leisten ohne aufzustellen zu halten, trete auf Tritte/Leisten unterhalb des Boards. Achte unbedingt auch hier darauf, nicht in den Schultern zu hängen! Schiebe sie zurück, möglichst tief nach unten und halte die Ellbogen etwas angewinkelt.

Mache nach diesem Training ein, zwei Tage Pause und steigere das Pensum ganz langsam, in dem Du kleinere Griffe wählst, sie länger hältst oder die Füße wegnimmst.

Vertraue den Füßen

Viel klettern hilft am besten, um besser zu werden.Eine Übung, die Du auch schon früher beginnen kannst, jetzt aber langsam essentiell wird: Lerne, Deinen Füßen zu vertrauen! Gerade beim Bouldern oder auch im Toprope kannst Du auch mal schlechte Tritte antreten (präzise, leise, du erinnerst Dich?) und voll belasten. Riskiere einfach mal, dass Dir dein Fuß wegrutscht – er wird es nicht tun! Die Füße halten unglaublich viel, man traut es ihnen nur nicht zu. Ich habe das vergangene Jahr mir angewohnt, volles Risiko einzugehen, Tritten einfach einmal zu vertrauen und sie auch voll zu nützen. Am Anfang nur bei den Aufwärmtouren, inzwischen probiere ich es auch sonst so oft wie möglich. Denn wenn Du die Füße richtig belastest, brauchst Du deutlich weniger Kraft in den Armen!

Und noch eine Sache, die Du beim Bouldern super probieren kannst: Versuche einmal, mit den Füßen richtig zu arbeiten. Ziehe Dich mit den Füßen an die Wand und stehe bewusst aktiv. Man kann sich mit den Füßen häufig „ansaugen“ und damit bestimmte Züge enorm erleichtern. Ich mache das zum Beispiel auch häufig beim Clippen, um eine stabile Körperposition zu erreichen.

Lerne weitere Bewegungen

IMG_2299Spätestens jetzt werden bestimmte Bewegungen noch wichtiger, allen voran das Eindrehen – eventuell sogar mit einem nach unten gedrehten Knie (Ägypter, Drop Knee). Suche Dir eine Tour, die Du gerade so schaffst. Klettere sie einmal und schaue beim zweiten Mal genau, welche Bewegungen Du anders machen könntest, um sie kraftsparender zu lösen. Kannst Du wo eindrehen? Kannst Du wo mit dem Fuß aufhocken, mit dem Fuß eine Bewegung aktiv unterstützen? Stellst Du Leisten auf? Wenn ja, geht es eventuell auch hängend? Klettere die Tour nochmals und versuche, die neuen Ideen einzubringen. Schaue wie andere die Tour klettern, wie sie die Züge lösen und wo sie stehen.

Neuner klettern

Da bin ich überfragt. Mit ein paar 9- im vergangenen Jahr habe ich zwar tatsächlich den neunten Grad erreicht und auch wenn mir das an zwei völlig unterschiedlichen Felsen gelang, ist meine Erfahrung da sicher noch zu gering. Wie ich mir aber vorgenommen habe, den neuten Grad noch weiter zu erkunden:

Angst trainieren

Sturztraining hilft einfach immer...Ich steige schon seit einigen Monaten nichts mehr im Nachstieg ein, trotzdem freue ich mich, wenn die Exen bereits hängen. Kontrollierte stürze an sich sind auch nichts Schlimmes mehr, aber wenn die Füße über der Exe stehen, finde ich es immer noch unangenehm. Die Angst vor einem unkontrollierten, plötzlichen Fall limitiert mich. Mehr als fehlende Kraft, definitiv. Deshalb werde ich dieses Jahr die Sache mit der Angst anpacken. Diese Artikelserie ist der erste Schritt dazu, um überhaupt einmal zu wissen, worauf es ankommt und wie man (unbegründete) Angst trainieren kann.

Fingerkraft

Durch das Zlagboard habe ich eine gute Möglichkeit gefunden, meine Fingerkraft behutsam zu trainieren. Ich bin vorsichtig am Griffbrett, denn ich habe noch nie trainiert und kenne das Potenzial, sich dabei einiges kaputt zu machen. Ich stelle nichts auf und lasse Übungen, die mir in Schultern oder Ellbogen Schmerzen bereiten. Durch die Trainingspläne in der Zlagboard-App habe ich viele Übungen kennengelernt, die man an dem Teil machen kann, wobei es letztendlich immer aufs „Hängen“ rausläuft.

Körperspannung

Stimmt alles mit dem Material?Spannung im Körper hilft nicht nur im Überhang extrem viel. Ich trainiere sie vor allem an Ringen, die nur an einem Punkt fixiert sind (Die Ringe laufen an einen Querbalken, der nur in der Mitte an der Decke eingehängt ist) – dadurch wird die ganze Konstruktion ziemlich wackelig und man kann gut die Bauchmuskeln trainieren. Es gibt aber auch einige Übungen, die ganz ohne Hilfsmittel auskommen. Hier gibt’s mehr zum Thema.

Viel klettern

Überraschung… Dieses Kapitel endet, wie das erste angefangen hat. Viel klettern bringt’s einfach. Viel an verschiedenem Fels, viel im Vorstieg, viel stürzen. Und nicht nur immer Projektieren, sondern vor allem auch onsighten und auch an manchen Tagen einfach viele Touren klettern, auch wenn man schon etwas müde ist. Und ganz wichtig: Spaß haben. Mach Dir keinen Druck, genieße die Zeit und auch mal einfach den Zustand, den Du bereits erreicht hast.
>> Zurück zur Übersicht

>> Zum Artikel über den Umgang mit Höhenangst

 

 

 

 

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4 Comments

  • Reply Steffi Juli 19, 2016 at 3:41 pm

    Diese immer wieder in deinen Artikeln auftretenden Stereotypen bezüglich der armen kleinen, schwächeren, angstvolleren und überhaupt in allen Bereichen benachteiligten Frauen im Gegensatz zu den Männern, die mit all dem gar nie Probleme haben, lindern den Spaß deine Artikel zu lesen leider sehr.

    • Reply ulligunde Juli 19, 2016 at 3:47 pm

      Hi Steffi,

      merci vielmals für dein ehrliches Feedback! Ich beneide Dich, dass Du wohl den Schritt aus dem Stereotyp schon so gut geschafft hast – oder womöglich dich nie darin gefühlt hast. Ich muss(te) es erst lernen, wirklich an mich selbst und meine Fähigkeiten zu glauben.

      Liebe Grüße!

      Erika

    • Reply WanderReporterin Juli 19, 2016 at 4:05 pm

      Hallo Steffi,

      auf meinen Pilgerwanderungen, die ich immer alleine bestreite, werde ich hauptsächlich von Frauen angesprochen: „Hast du keine Angst so alleine im Wald?“ oder „Ich würde ja auch gerne mal pilgern gehen, aber ich traue mich nicht“ oder „Das wollte ich auch schon lange mal machen, aber ich traue es mir nicht zu“. Männer sagen einfach nur „Coole Sache, aber ich habe keine Zeit, ich muss ja arbeiten“. Das sind gelebte Stereotypen da draußen, denen wir begegnen und die Leute wie Erika und vielleicht auch mich als Projektionsfläche brauchen, um aus diesem Muster heraustreten zu können.

      Mit Sicherheit beneiden dich viele Leute darum, dass du nicht zu dieser Kategorie zählst.
      Weiter so!

      Viele Grüße
      Daniela

  • Reply Andreas Schabert März 22, 2017 at 7:04 pm

    Hey Ulligunde,

    ich habe deinen Blog gerade erst entdeckt und gleich abonniert. Und ich möchte dir großes Lob aussprechen. Ich bin echt beeindruckt, wie professionell und schön hier alles gemacht ist.

    Zum Thema weite Züge kann ich dir meinen Blogartikel „Weite Züge für alle“ ans Herz legen. Du findest ihn hier: https://www.vertical-riot.de/deadpoints/

    Ich freue mich schon auf deine nächsten Posts.

    Liebe Grüße

    Andi

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