Angst beim Klettern: Interview mit Nina Caprez

Juni 21, 2016

Nina Caprez klettert nicht nur im obersten achten Franzosengrad, sondern auch besonders gern in mental fordernder Routen wie zum Beispiel im berüchtigten Rätikon (Graubünden), wo ihr Wiederholungen von „Unendliche Geschichte“ und „Silbergeier“ (beide 8b+) gelangen. Erstere gemeinsam mit Barbara Zangerl, die ebenfalls bereits hier im Interview zu Wort kam. Aber kennt eine Lady, die im Rätikon das Klettern erlernte, überhaupt Angst!? 

Hallo Nina! Schön, dass es Dir nach deiner mysteriösen Krankheit wieder gut geht. Ich freue mich riesig, dass Du Dir ein paar Minuten für meine Fragen zum Thema Angst nimmst. Vielen Dank schon mal dafür!

© Robert BöschDu bist mit Deinen Begehungen wildester Touren für mich eine der inspirierendsten Ladies in der Kletterszene – du scheinst Deinen Kopf im Griff zu haben, du Glückliche 🙂 Stimmt das denn? Hast Du selten Angst oder ist dieses Gefühl auch für Dich an der Tagesordnung?

Ich habe im Rätikon angefangen zu klettern. Diese Region ist bekannt für ihre spärlichen Absicherungen und dem allgemein alpinen Style. Ich hatte darum die Chance, schon sehr früh mit meiner Angst umzugehen. Wenn mann sich erst mal ans Rätikon gewöhnt, dann fühlen sich die Hakenabstände in allen Sportkletterfelsen recht human an. Das letzte Mal gefürchtet habe ich mich letzten Sommer in einer langen Tour im Rätikon, der unendlichen Geschichte. Die Angst kommt bei mir auf, wenn ich nicht recht weiß, wo die Tour hochgeht. Das Ungewisse ist meistens ausschlaggebend. Hat man den Haken mal eingehängt und weiß man ungefähr wo die Griffe sind, dann ist Angst bei mir kein Thema mehr.

Hattest Du früher mehr Angst?

© Robert BöschIch habe schon sehr früh recht üble Stürze ins Seil gemacht. Auf ekligen Platten und habe ich mir natürlich auch alles aufgeschürft, was man so bei einem Rutscher auf einer Platte aufschürfen kann. Da es aber nie etwas Ernsthaftes war, hat mein Geist gelernt das zu akzeptieren und ich liebe den Kick und das Adrenalin, das damit ausgeschüttet wird.

Ich denke nie an den Sturz, ich sehe das als etwas völlig Natürliches. Bei alpinen Touren ist Stürzen oft verboten, da braucht man einen guten Kopf, damit man auch nicht fliegt, wenn man nicht darf. Das lernt man aber mit der Zeit.

Was rätst Du anderen Mädels, die vom Kopf limitiert werden? 

© Robi BöschDas Beste ist, sich völlig auf die Kletterei zu konzentrieren. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass man sich komplett abschotten kann und an nichts mehr denkt, außer an den nächsten Zug. Für mich persönlich ist ein Sturz etwas Wunderbares, weil ich meistens nur fliege, wenn ich wirklich alles gegeben habe. Stürzen gehört zum Klettern, das ist wie ein Package. Und wenn sich die Angst doch einmal einschleicht: Tief durchatmen.

Noch eine letzte „Mädels“frage: Du bist alpin sowohl mit Jungs als auch mit Mädels unterwegs. Was ist der Unterschied zwischen Mädels- und gemischter Seilschaft?

Wenn ich mit einer Frau klettere, dann finden wir oft die gleichen Lösungen. Das pusht mich. Und es gibt keine Rollenverteilung. Das macht den Kopf stark.

Vielen Dank Nina für Deine Zeit!

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