Hochtour-Hike & Fly Obergurgl

September 21, 2018

Einfach mal wieder ein Wochenende lang entspannen. Ein bisschen Sportklettern, ein bisschen Kaffeetrinken, vielleicht sogar ein wenig Gleitschirmfliegen? Womöglich gar… vom Gletscher? Ötztal also, wo sonst. Das wird Urlaub, so richtig URLAUB! 

leichter Bergschuh Gleitschirm LowaGenau drei Jahre habe ich ihn nun an meiner Seite – diesen Mann, der hier meist ohne Name auftaucht, weil er sich aus diesem Internetz nicht allzu viel macht. Seit drei Jahren verdreht er mir aber dafür umso ausgiebiger den Kopf.

Seit einem halben Jahr liegt zudem eine Einladung eines Hotels in Obergurgl auf meinem Tisch: »Kommt vorbei und macht eine Hochtour hier! Es gibt so viele Möglichkeiten!«. Und seit wenigen Monaten schlummert da in uns beiden ein Traum: Mal mit dem Gleitschirm vom Gletscher starten, anstatt stundenlang zurück ins Tal zu hatschen. Plötzlich fügte sich alles zusammen und wir standen am Sonntag zur Frühstückszeit mit einem mächtig breiten Grinsen auf der Wiese direkt vor dem Hotel. Aber von Anfang:

Back to the lovely roots: Kartenstudium!

Zirmkogel Gletscher ObergurglDas Gleitschirmfliegen erweitert die Berg-Möglichkeiten einigermaßen radikal – plötzlich zählen nicht mehr nur steile Wände oder potenziell gefrierende Wasserfälle, sondern auch ganz einfache Gipfel oder elende Talhatscher. Die »Hike&Fly« – Tourenbeschreibungen in besagtem Internetz halten sich bisher auch noch eher in Grenzen, was eine fast schon vergessene Gabe fordert: Kartenstudium! Welcher Gipfel ist oben flach, hat Gras oder Schnee? Ausrichtung? Steilheit? Geht es sich vom Gleitwinkel bis zur Landewiese aus?

Die Wahl fiel auf den Zirmkogel – knapp 1.500 Höhenmeter im Aufstieg, Tourstart direkt am Hotel, ein direkter Weg ohne Umwege, keine Schwierigkeiten und ein gefahrloser Mini-Gletscher, der dafür aber perfekt ausgerichtet war. Ideal für eine Sonnenaufgangstour. Unser Berg? Unser Berg! Den probieren wir!

Diese Ausrüstung war mit dabei:

Im See gespiegelte Gletscher

Obergurgl Nacht Gletscher SternenhimmelWie sich das für ein Jubiläum eben gehört, klingelte der Wecker mitten in der Nacht. Um fünf stiegen wir schon in gutem Tempo den herrlichen Bergpfad hinauf in Richtung Seenplatte. Die Lichter von Obergurgl leuchteten weit unten im Tal, während die Gletscher hinter uns langsam im ersten Licht schimmerten.

Nach einer Stunde erreichten wir die Seenplatte – allein das war ein Highlight für sich! Im ruhigen Wasser spiegelten sich die umliegenden hohen Gipfel, ein kleines Zelt stand am Ufer. Verlassen – die Insassen waren bereits auf dem Weg zum Grießkogel, wie sich später herausstellte.

Bedenken

Bergsee Spiegelung Gletscher Berge Obergurgl SeeNoch ein paar Minuten, und die Spitzen würden glühen. Wir aber wollten weiter, hatten tatsächlich eine noch wichtigere Mission als hier ein Traumfoto zu schießen. Ob es sich ausgehen wird mit dem Start? Wird der Gletscher womöglich komplett aper sein? Wird Wind aus der falschen Richtung aufkommen? Was, wenn vielleicht nur einer rauskommt? Es war mühsam und sinnlos sich groß Gedanken zu machen. Werden wir alles sehen, wenn wir oben sind.

 

Galerie Teil I:

Traumgegend

Weißkugel Wildspitze Gurgler ScharteImmer felsiger wurde das Gelände, der Horizont leuchtete violett. Während wir mit Händen in den warmen Hosentaschen über gefrorene Erde wanderten, ging hinter uns die Sonne auf und tauchte alles in leuchtendes Orange. Die Seen unter uns glitzerten im Morgenlicht, die Glocken der Schafe bimmelten entfernt. Ansonsten war es völlig still. Was für ein Traum.

Genuss-Hochtour

An der Gurgler Scharte eröffnete sich plötzlich der Blick auf zwei alt Bekannte: Die Weißkugel und die Wildspitze im Morgenlicht. Neben uns zog der hübsche Blockgrat hinauf auf den Inneren Grießkogel (auch Stockkogel), auf der anderen Seite in Richtung Zirmkogel (auch Stockkogel 😉 ). Einfach war das Gelände, in der Höhe aber dann doch etwas mühsam. Die kleinen Pfützen waren hart gefroren, der Neuschnee der vergangenen Woche ebenso.

Meer im Meer

Wir durchquerten ein Meer aus Urgestein – teilweise wirklich noch geschichtet, wie es die Natur ursprünglich geschaffen hatte – ein toller Anblick! Ebenfalls sagenhaft schön anzusehen war das Panorama in unseren eigentlichen Spielplatz: Die Konturen der Dolomiten schimmerten bläulich aus einem Meer aus Wolken. Man könnte es nicht schöner malen.

Am Gletscher

Gletscher Zirmkogel Obergurgl ÖtztalIrgendwann kam dann doch noch der Gletscher in Sicht – wir hatten uns auf Raten von Hotelbesitzer/ Bergretter/ Bergführer/ Landwirt/ Koch/ Vater Ronald tendenziell links gehalten, um möglichst spät auf den Gletscher zu kommen – er hat durchaus kleine Spalten und wir dafür kein Seil. An seinem flachen, schneebedeckten Rücken ging es aber völlig problemlos und auch die Steigeisen blieben ohne Frage im Rucksack.

Spannung

Liebesbrief

Dann der spannende Moment: Stimmt die Vorstellung aus der Karte mit der Realität überein? Tat es, und wie! Eine perfekt geneigte Rampe, immer steiler werdend, exakt in Richtung Obergurgl. Der Wind? Still, zumindest hier unten.

Wir huschten noch die letzten Meter zum kreuzlosen Gipfel hinauf und feierten nicht nur dessen Erreichen, sondern auch unsere drei Jahre. Wie cool, so einen Deckel gefunden zu haben!

Der Wind frischte auf und verblies die Romantik.
Starten!
Jetzt!

Es wird ernst

Zirmkogel Startplatz Gleitschirm ObergurglWindcheck zurück am Gletscher. Nicht ideal, aber auch nicht gruselig. Zwei Mal verblies ein leichter Luftzug den Schirm auf der aalglatten Gletscheroberfläche. Sicher ein Anfängerfehler, wir hätten die Oberfläche vielleicht platt trampeln sollen? Wir machten die fehlende Erfahrung mit Schnelligkeit wett, legten nochmals aus, warteten auf Windstille, hängten uns ein. Ein letzter Blick, ein »Du zuerst!« und schon rannte er davon. In der dünnen Luft muss man länger rennen, aber alles klappte easy und schon hing er an seinem Zeltstoff in der Luft. Und ein paar Augenblicke später: Wir beide. Der Start hatte geklappt, wir waren beide draußen!

Hang loose!

Gleitschirm Obergurgl Ötztal Gletscher StartplatzEin, zwei Freudenschreie hellten durch das Tal, während wir in herrlich ruhiger Luft die Landschaft genießen konnten. »Hang loose!« nennt Eki – unser Sicherheitstrainer – diese Position. Hände hängen lassen, einfach genießen. Das taten wir – die Aussicht war schlichtweg phänomenal. So ging es fröhlich spielend hinunter zur großen Wiese direkt unterhalb des Hotels, wo Ronald und seine Familie gespannt unserer Landung zuschauten.

Urlaub!

Hotel Alpenaussicht Obergurgl Frühstücks-Buffet Aussicht TerrasseEin paar Minuten später saßen wir vor einem liebevoll hergerichteten Frühstücks-Buffet auf der Terrasse in der Sonne – mit freiem Blick auf weiße Gletscher oben und eine goldene Herbstlandschaft unten. Breites Grinsen in unserem Gesicht, staunende Kinderaugen, die unsere Ausrüstung begutachteten und ein gut gelaunter Hotelbesitzer, der den letzten Tag seiner Saison genoss. Wir blieben lange, zu schön war es hier auf der warmen Terrasse nach den eiskalten Morgenstunden.

Rundum glücklich

Irgendwann lockten sie uns dann doch noch, die herrlichen Sportkletterfelsen des Ötztals. Der Sonnenaufgangsflug von unserem ersten kleinen Gletscherchen blieb aber trotzdem für viele Tage das Highlight im Kopf. Manchmal braucht es gar keinen Fels, um rundum glücklich zu sein!

 

Galerie Teil II:

 

Hike and Fly bzw. leichte Hochtour: Zirmkogel
(Obergurgl/Ötztal)

Einfache Hochtour, ideal auch für Anfänger. 3-4 Stunden Aufstieg, anfangs einfacher Wanderweg, ab der Seenplatte bis zur Scharte gut markiertes Geröllgekrabbel. Danach weglos aber logisch in Richtung Gletscher – wir haben uns dabei tendenziell links (Aufstiegssinn) gehalten, um möglichst spät den Gletscher zu betreten. Wer sich rechts hält, sollte ggf. mit Spalten rechnen. Keine echten Kletterstellen (max. mal kurz I), Trittsicherheit aber nötig.

Startplatz in Richtung  Süd-Ost, ggf Süd, nach Nord in Richtung Vent ginge wohl auch. Hangneigung ideal. Landeplatz entweder vorher mit dem Hotel absprechen (direkt vor der Terrasse, nur wenn gemäht!), ansonsten andere gemähte Wiese suchen. Vorsicht auf Leitungen, am Ortsende in Richtung Gletscher führt ein Stahlseil über das ganze Tal! Ansonsten: Viel Spaß und happy landing!

 

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1 Comment

  • Reply Susi September 26, 2018 at 9:09 am

    Sieht super entspannt aus! Vielleicht sollten wir doch noch den Flugschein machen. 😀

    LG Susi

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