Nachdem wir bereits am vergangenen Wochenende gemeinsam in Arco unterwegs waren, ging es diesmal im Rahmen eines „Wilde Mädels“-Treffen gleich nochmal zusammen los – diesmal ins Zillertal. Und das, wo ich ja selbst gar kein Mädel bin. Trotzdem durfte ich mit, aber ich bin ja schließlich auch wohlgeformt, robust und alle freuen sich immer, wenn ich dabei bin. Oder ärgern sich zumindest, wenn ich nicht dabei bin…!?
Wir jedenfalls wanderten gemeinsam vom (wenig schönen) Gasthof Breitlahner vorbei an der (recht schönen) Klausenalm hoch zum Einstieg der Tour „Rabennest“. Nur vier Seillängen, angeblich ein echter Klassiker und einfach ganz, ganz toll. Sagen die Locals. Wobei man bei Zillertalern da durchaus eine gewisse Vorsicht walten lassen kann. Sagt die Ulligunde.
Da stellt sich wer an!
Die Mädels jedenfalls machten sich fertig, überließen die Ehre des ersten Vorstiegs wieder dem Knobel-Zufall und so ging es am Gurt von der Blonden in einer etwas mutigen Bach-Spreiz-Überkletter-Aktion in die erste Seillänge. Nix Schweres, halb botanisch, aber klettertechnisch ganz nett. Die andere mit kurzen, dunklen Haaren kam mittelmäßig elegant hinterher und machte sich gleich an die folgende Länge, ein ziemlich steiles Schuppengehangel. Die Lady stellte sich ganz schön an, schnaufte, schnaubte und war irgendwie leicht unentspannt. Völlig übertrieben, es war schließlich nur eine 6- und man wusste vor lauter Riesengriffen gar nicht, wohin greifen. Und dann auch noch sooo viele Borhaken!
Im freien Fall zurück auf Los
Als das Mädel sich dann noch beeindruckend angespannt über die abschließende Platte zitterte, konnte ich das einfach nicht mehr länger ertragen. Ich dachte nicht lang nach und sprang direkt bei der nächsten Gelegenheit von Bord, gerade als mich die Blonde losband. Einfach weg.
Es ging sofort nach unten, vorbei an einigen Borhaken und ein paar Bäumen. Huuuui! Der Wind streifte durch meine Löcher, umschmeichelte mein Drahtband… Als ich gerade eine spaßige Reisegeschwindigkeit erreicht hatte, katapultierte mich ein Felsvorsprung überraschend weit weg von der Wand. Ich flooooog und flog und landete letztendlich weich im Gras. Perfekt! Von hier hatte ich eine schöne Sicht hinunter in das Tal und hinauf auf das kleine Felsstück mit dieser massiven Verschneidung und den zwei Mädels.
Übertrieben gegruselt
Die Blonde war nur mittelmäßig begeistert, dass ich mich aus dem Staub gemacht hatte, tänzelte dann aber ganz easy die Schuppen nach oben und hängte gleich den folgenden Riss an. Die Dunkle-Haare-Lady wieder hinterher.
Ich hörte noch irgendwas von wegen „ach, das war ja nur eine 6-!!“ als sie am nächsten Stand das Topo studierte. „Und jetzt kommt erst die 6+!“ Sie zögerte und irgendwie machte sie einen ziemlich unfröhlichen Eindruck.
Trotzdem stieg sie ein und saß gleich an der dritten Exe. Versuchte es nochmal, saß wieder. Nochmal. Und nochmal… Scheinbar hatte sie ein Problem mit der feuchten Verschneidung. Und ganz offensichtlich mit ihrem Kopf, das sah man ja selbst von hier unten.
Nach ein paar Minuten der beherzte Griff in die Exe. Ohje Kind, ist wohl 6+ zu schwer, hm? Weiter ging’s, ein paar Exen später ein ähnliches Spiel. Einsatz der Panikexe! Junge, Junge, wärt ihr mal besser wandern gegangen… Erreichen des Standes, die Blonde entspannt hinterher.
Ich, das Sicherungsgerät
Am Abseilstand dann große Beratschlagung, wie man jetzt am besten nur mit HMS runterkommt – ich, das Sicherungsgerät, lag schließlich hier unten im warmen Gras. Die Mädels schafften es aber und waren dank des langen Seils flink wieder am Boden. Die Blonde suchte mich noch ewig im Bach, kam mir aber nie wirklich nahe. Rührend, mit wie viel Hingabe sie nach mir Ausschau hielt! Aber was soll’s, hier oben war’s eh auch schön!
Getrennt und doch zusammen
Die Mädels jedenfalls verzichteten wohl wegen des Kopfproblems der einen und des Geräteproblems der anderen auf die zweite Tour in dieser Wand und packten zusammen. Wo ich mich schon darauf eingestellt hatte, dass unsere Wege sich nun wohl für immer trennen würden, hielt die Kopfproblem-Lady beim (weglosen!) Abstieg direkt auf mich zu. Schnurstracks, als wüsste sie, wo ich liege! Kurz bevor sie mich fast zertrat, entdeckte sie mich. Die Blonde freute sich wie Püppi mich wieder zu sehen. Na, das ist ja auch schön, wenn sich andere so freuen. Dann also doch keine Trennung. Auch ok. Nett ist sie ja eh.
Speisen im „The Shining“-Hotel
Die beiden trafen sich noch mit ein paar anderen wilden Mädels und statteten dem wenig empfehlenswerten Gasthof Breitlahner einen Besuch ab – zum Abendessen muss man da wirklich nicht hin. Überhaupt war es mit seiner dunklen Atmosphäre im inneren leicht gruselig. Jack Nicholson hätte jedenfalls ganz gut reingepasst. Als dann noch eine Gruppe betrunkener Junggesellen einschneite, verzupften wir uns und durften dank der netten Wirtin auf dem Parkplatz übernachten.
Danke Tube für Deine Flugschilderungen. Darf ich jetzt wieder, ja?
Welche Ausrüstung ich bei solchen Touren derzeit dabei habe:
(Die ganze Übersicht gibt’s hier)
Also, hallo erstmal, Gruselgrunde hier!
Na dann übernehm ich mal das Gebrabbel vom zweiten Tag: Der brachte nämlich noch die Route „Alpenland“. Wieder so ein Turbomegariesenklassiker, durch den man laut Locals „einfach ganz toll durchcruisen könne“. Ich war nach der Watschen gestern mental einigermaßen im Eimer und überließ ganz ohne Knobeln den Vorstieg der schweren Seillängen der Verena. Die krabbelte routiniert wie immer den Haken hinterher, während ich mich meisterlich ungeschickt anstellte – selbst in den leichten Seillängen. Wie der Anfänger vor dem Herrn zitterte ich von Haken zu Haken, die wirklich im Zentimeterabstand angebracht waren. Mobile Sicherungen braucht es in dieser Tour echt nicht…
Das Herzstück, eine Verschneidung im oberen sechsten Grad war dank des brüchigen, staubigen Felses und einer großen, losen Schuppe direkt in Falllinie überm Stand einigermaßen unangenehm, erst die beiden folgenden leichteren Seillängen brachten dann endlich etwas Freude. Was wohl auch daran lag, dass die angeblichen 6- wohl eher irgendwas im fünften Grad sein dürfte.
Facts zur Tour:
Rabennest
6+ (Schlüsselstelle eher 7-), 4 SL, komplett mit Borhaken gesichert.
Wer nicht gerade ein massives Kopfproblem hat, der dürfte diese Tour wohl wirklich sehr genießen können. Sehr gute Absicherung, zusätzliches Material ist wirklich nicht nötig. Eher kräftige Kletterei. Abseilen über benachbarte „Blackbird“, sehr gut eingerichtet. Wir sind vom oberen Abseilstand bis zum ersten folgenden Stand und von dort aus frei hängend bis zum ersten eigentlichen Stand (auf dem Grasband) abgefahren. Die Blackbird kann direkt angehängt werden und ist je nach Variante leichter bzw. schwerer als die „Rabennest“.
Alpenland
6+, 7 SL, komplett mit Borhaken gesichert, kurze Seillängen.
Nette Kletterei, gut abgesichert. Die große lose Schuppe in der zentralen Verschneidung trübt allerdings die Freude etwas, weil sie bei einem Ausbruch direkt auf den Stand fallen würde. Die eine Verschneidungslänge der benachbarten „Kreatour“ sieht saugeil aus!
Wer wenig Respekt vor Seilverhängern hat, kann vom oberen Stand zum dritten der Tour (nach der dritten SL) und von dort aus mit einem 60m Seil bis zum Einstieg zurück. Der eingezeichnete Stand auf Höhe des Fixseils (etwa auf der Hälfte der ersten Seillänge) war unauffindbar. Wir sind auf Nummer Sicher gegangen und sind vom obersten Stand zu dem Abseilstand ca. 40 m unterhalb. Der ist allerdings im Vergleich zu allen anderen Ständen (die alle mit Ketten und Karabiner versehen sind) nur mit Reepschnüren verbunden. In unserem Fall waren sie ganz neu.
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