„Klettern am Furkapass (Galengratverschneidung, Hannibal)“ – das stand bereits im Winter schon auf meiner Alpinwunschliste. Der Punkt mit dem Furkapass stand mit der Wilden Leck ganz, ganz oben. Und nun waren wir tatsächlich hier!
Gemeinsam mit Freundin Lena hatten wir uns wegen der genialen Wettervorhersage gleich ein verlängertes Wochenende rausgelassen und auch wenn der erste Tag wegen der vermurksten Aktion an der Wilden Leck deutlich verkürzt war, reichte es da noch für die gemütliche Via Heinrich (klein Furkahorn) und am Tag darauf gleich für die recht (mental) anspruchsvolle Route Perrenoud am Chli Bielenhorn.
Zum Bergschrund
Nun also Tag drei. Der Kopf war durch, die Muskeln schon einigermaßen müde, die Motivation irgendwie nur da, weil ich mir die Tour halt so fest vorgenommen hatte. Wir stapften mit der Gletscherausrüstung ein weiteres Mal vom Auto in Richtung Sidelenhütte, seilten uns sicherheitshalber am Gletscher an und erreichten nach rund 1,5 Stunden den Bergschrund. Alter Schwede, ein tiefes Teil!
Skeptische Blicke zwischen Lena und mir beim Anblick der ersten Seillänge. Sieht schwer aus. Ist es ja auch, mit 6a+ die schwerste Länge überhaupt. Die Absicherung mit Borhaken und Friends schien aber machbar. Also halb über dem Bergschrund wackelnd irgendwie raus aus den Berg- und rein in die Kletterschuhe. Bloß nichts ins schwarze Loch reinwerfen – weder Ausrüstung noch sich selbst. Dann ein beherzter Schritt rüber an den Fels, Füße putzen und los ging’s!
Irgendwie cool!
Die Kletterei war anspruchsvoll, aber irgendwie cool! Mal wieder für Große gebohrt, aber egal, das waren wir Zwerge ja schon gewohnt. Lena zuckelte beeindruckt hinterher, meinte noch, dass sie die Seillänge sicher nicht vorsteigen hätte wollen: „Respekt!“, sagte sie. So schlimm war’s doch gar nicht. Sie stieg souverän direkt weiter und war bald außer Sichtweite. Zeit zum Gucken: Wow, schon schön hier. Sonne auf dem Rücken, der Gletscher unter uns, schroffe, ständig polternde Felsen um uns herum, die Schweizer Bergwelt am Horizont. „STAND!“. Gut, genug geträumt. Ich also. Huch, das ist aber schwer für 5c. Schon auf den ersten Metern warteten ganz schön kleine Leisten, dann eine irgendwie schöne Verschneidung mit mächtigen Hakenabständen. Als Finale noch eine wahrlich gruselige Platte, gefühlt ungefähr so 290 Meter über dem letzten Haken. Oida Leck, die Seillänge hätte ich nicht vorsteigen wollen!! Lena lacht und meint, es wär gar nicht so schlimm gewesen. Langsam sind wir uns einig, dass Vorstieg leichter als Nachstieg ist…
Furcht- und Ahnunglos
Wir zogen Länge nach Länge durch und teilten uns stets den Stand mit einer anderen irgendwie lustigen Deutsch-Schweizer-Seilschaft. Der eine absoluter Perfektionist, sehr umsichtig. Der andere ein „geht scho, basst scho!“-Typ – furchtlos ganz sicher, aber halt auch ahnungslos. Die Jungs bremsten uns aus, aber uns passte das irgendwie. Wir waren noch etwas gekennzeichnet von der wilden Abseilaktion von gestern – wir hofften darauf, gemeinsam abseilen zu können – die Jungs würden vielleicht Gentleman spielen und unser Seil retten, falls es sich mal wieder verfangen sollte. Das Furkagebiet lehrte mich jedenfalls bereits, mehr Respekt vor dem Abstieg als vor dem Aufstieg zu haben…
Zäh
In der viertletzten Länge, eine lächerliche vier-irgendwas! – gruselte es mich zu Tode. Die Länge führte echt ausgesetzt durch große Blöcke, die teils fest waren. Teils halt auch nicht. Links rum, rechts rum!? Kein Plan! Ich traute mich nicht recht, Friends zu verstecken, nicht dass die hier noch den halben Berg aushebeln. Ohne wäre aber auch blöd, also doch mal einen Friend, mal eine Schlinge, sogar mal ein Keil. Und mit jedem Placement wurde die Seilreibung größer, weil man sich ständig um irgendwelche Blöcke herumschlängelte. Mir ging die Düse, ich hatte keine Lust mehr. Hatte ich schon in der vorangegangenen Länger nicht mehr! Die Aktion an der Wilden Leck, der ganze Fahrstress, die schwere Tour gestern und dann hier so ein blödes Gehampel zwischen losen Blöcken. Immerhin markierte der Johnny aus der anderen Seilschaft den nächsten Stand mit sich selbst. Sehr gut, dann wusste ich wenigstens auf den letzten Metern, wohin ich musste. Ich war durch und kuschelte mich zu ihm an den leicht unbequemen Stand. Lena kam nach, noch ziemlich frisch. Ich beichtete, dass ich nicht mehr mochte. Sie zögerte, wollte wenigstens noch bis zum großen Band klettern. Weiter wäre ohnehin nicht gut, wir waren schon echt spät dran. Okey, bis zum Band. Na gut, ich krabbel hinterher. Schlappi.
Im Pulk abwärts
Am Stand oben sammelte sich alles. Mehrere Seilschaften kamen von oben gerade abgeseilt plus wir zwei Seilschaften von unten. Kuriose Überholmanöver unausweichlich, weil ja irgendwie jeder noch in der letzten Sonnenwärme runter wollte (und jemand über sich haben wollte, falls sich das Seil verhängen sollte. Ja ja!).
Hungriger Bergschrund
Letztendlich waren wir irgendwie doch die letzten, weil wir zu viert abseilten. Die lose Schuppe, die unser Seil beim dritten Abseilen umschlungen und beim dran Ziehen halb ausgehebelt hatte (andere Seilschaften direkt unter uns, Halleluja) noch im Kopf, machte ich drei Kreuze, als wir tatsächlich am Gletscher ankommen und das Seil komplett neben uns lag. Yeah! Und gleichzeitig: SHIT! Unsere Ausrüstung lag noch halb im Bergschrund – mit Kletterschuhen klettert es sich wenig schön auf sehr steilem Schnee. Und wie zieht man Bergschuhe an, wenn man nirgends stehen kann?! Der schwarze Schlund immer neben einem, der nur darauf wartete, Ausrüstung zu futtern… Meinen Socken nahm er gleich, den Schuh des Kollegen auch. Aber Gott sei Dank beides so, dass wir alles noch bergen konnten.
Passt!
Irgendwann hatten wir tatsächlich Ausrüstung und uns selbst über den steilen Rand gehievt und standen auf der anderen Seite, der flache Gletscher in greifbarer Nähe. Jetzt war es tatsächlich vorbei. Ich war froh, gleichzeitig aber auch etwas enttäuscht. Ich hatte mich sehr auf die Tour gefreut. Aber andererseits hatten nur noch zwei Seillängen gefehlt – und auf einem Gipfel wären wir ohnehin nicht rausgekommen, nur auf einem Grat. Alles nicht so schlimm, die Kletterei war cool und die schwere Seillänge gelang mir easy im Onsight. Passt schon, passt schon!
Morgen wird’s was geben!
Wir sprangen in weniger als einer Stunde zurück zum Auto und erreichten es mit dem letzten Licht. Frühstücken, Klettern, Abendessen, Schlafen. Irgendwie kein besonders „entspannender“ Urlaub – aber ein spannender, sowas von! Und morgen kommt wohl das absolute Highlight: DER HANNIBALTURM!
Mit dabei war hier übrigens der Togir Slide Klettergurt von Mammut – ein nettes Teil, allerdings vorrangig für Männer, weil man als Lady damit quasi nicht aufs Klo gehen kann. Der kleine orangene Rucksack ist ebenfalls von Mammut und macht auf solchen Touren eine ziemlich gute Figur, denn man kann ihn einfach so noch in den großen Zustiegsrucksack knüllen und muss dann in der Tour nicht alles an den Körper schnallen.
Welche Ausrüstung ich bei solchen Touren derzeit dabei habe:
(Die ganze Übersicht gibt’s hier)
1 Comment
Ein schöner Bericht. 🙂