Für manche Aktionen braucht man verrückte Freunde.
Ich hatte mich kaum getraut, Anderen von meiner Idee zu erzählen, ging ich doch davon aus, spätestens jetzt für völlig durchgedreht und komplett ausgetickt abgestempelt zu werden. Zu Recht womöglich, wer macht sowas schließlich auch?! WOZU?!
Der Plan war simpel: Um 2.30Uhr Start in Kempten, mit dem Auto Richtung Nesselwängle im Tannheimer Tal und von dort aus dann innerhalb von ca. 2,5h auf die Krinnenspitze um mit dem Sonnenaufgang (5.30Uhr) auf dem Gipfel – oder zumindest dem Gipfelgrat – zu sein. Schlussendlich haben zwei Freunde völlig spontan zugesagt, von denen ich es mit am wenigsten erwartet hätte. Nach den anstrengenden Seminararbeitswochen scheinen alle hungrig auf Leben zu sein!
Um 3.40Uhr starteten vier knallbunte Stirnlampen sich gemütlich den Weg hinaufzuschaukeln. Die unzähligen Sterne und der abnehmende, immernoch helle Mond erleuchteten die Gegend schemenhaft. Vor allem der imposante Gimpel mit seinen abwehrenden, riesigen Felshängen wirkte im fahlen Mondschein wie ein ruhender Wächter über dem völlig stillen Tal.
Nach einer gemütlichen Stunde auf breiten Forstwegen stiegen wir in den Geisbocksteig ein. Die Dämmerung setzte lautlos ein und schnell wurden die Stirnlampen unnötig.
Wenige Meter vor Erreichen des Gipfelgrates musste die Sonne jede Minute über die benachbarten Berge spicken. Ich spurtete das letzte Stück um den Grat noch vor der Sonne zu erreichen – und schaffte es. Die Stille auf dem schmalen Weg war atemberaubend: Auf der einen Seite das weite Tannheimer Tal mit dem völlig unbewegten Haldensee, dahinter die Ausläufer der Alpen; auf der anderen Seite die endlos erscheinde Gipfelkette von Zugspitz bis Säntis, alles beschienen von einem sanften Morgenrot. Es war unbeschreiblich schön.
Während wir nacheinander am Gipfelkreuz eintrudelten erleuchtete die Sonne langsam die letzten Täler. Ohne uns groß abzusprechen hatte jeder die verrücktesten Leckereien für’s Frühstück eingepackt. Tobi überraschte mit Multivitaminsaft, Nadine zauberte eine halbe Melone (SOMMER!) aus dem Rucksack, ich machte mit meinem Kocher heißen Cappuchino und Tee – und Dominic steuerte abgepackte, komprimierte Energie bei.
Verstummten die angeregten Gespräche für kurze Zeit konnte man den Morgen hören. Sonnenaufgänge in den Bergen sind eigentlich völlig still, das ist ja auch das schöne daran, aber doch „klingt“ es nach einem frischen Tag. Es ist schwer in Worte zu fassen. Man muss es selbst erleben.
Besonders bei Tobi kam während der Rast in der Morgensonne bald die Müdigkeit. Damit er vor seinem Abflug nach Mallorca in 6 Stunden noch genug Zeit zum Schlafnachholen hatte, stiegen wir nach einer Stunde am Gipfel gemütlich wieder ab, quer durch von Morgentau überzogene Berg- und Blumenwiesen. Ein letzter Blick zurück zum Gipfel, ein letzter in das friedliche Panorama. In solchen Momenten denke ich mir häufig, wie wenige Menschen gerade in dieser Sekunde solch einen friedlichen, völlig entspannten, perfekten Moment erleben können. Um diese Uhrzeit liegt man -besonders an einem Sonntagmorgen- normalerweise noch kuschelnd im Bett – nicht daran denkend, wo man in dieser Minute überall sein könnte. Man bereut es ja auch nicht, „nicht“ wo anders zu sein – aber ist man es doch, ist es ein umso motivierenderes Gefühl. Es ist etwas, woran man sich erinnern kann, etwas, das das Leben reich an schönen Erfahrungen macht. Etwas, dass es besonders und gut macht.
Ich bin dankbar dafür, dieses – und auch die vorangegangenen- Semester einige Menschen kennengelernt zu haben, die eine ähnliche Ansicht teilen. Die genießen und erleben wollen, die sich der Kraft der guten Erinnerungen bewusst sind. Die das Leben leben wollen -und vor allem auch können. Erst durch solche Freunde wird das eigene vollends lebenswert.
God makes me lie down in green pastures,
and leads me beside still waters.
God restores my soul.
No Comments