Three days off the beaten track

Oktober 4, 2010

Der Plan: Cape Hauy, Mt. Fortescue, Cape Pillar mit „The Blade“. 3 Tage in entlegener Wildnis (W I L D N I S), Regenwald, widerspenstigem Gestrüpp, unzählichen Spinnennetzen, wenigen erreichbaren Wasserstellen, knapp 200m hohe Klippen, Warnschildern, dass man von den klippennahen Pfaden von plötzlichen Windböen weggeblasen werden könnte oder auf nassen Steinen weg- und 200m runterrutscht, schier endlosen Aufstiegen, den größten Teil davon in feucht-schwülen Regenwäldern. Gewusst davon habe ich nur die vier großen Zielorte – hätte ich von dem Rest vorher eine Ahnung gehabt, wäre ich die Tour vielleicht erst gar nicht angetreten.

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Aber angefangen ist angefangen: Die Wettervorhersage für das Wochenende war ausgesprochen gut – Steve, der Caretaker vom Campingplatz in der atemberaubend friedlichen Fortescue-Bay (weißer Sandstrand, kaum Wellen, türkisblaues Wasser, nur eine ca. 800m breite Verbindung zum Meer) hat sich sichtlich für mich gefreut, dass ich so Glück mit dem Wetter habe – „das erste Mal richtig Sonne seit gut 6 Wochen!“.

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Das musste schließlich irgendwie genutzt werden und ich bin ja nicht nach Tasmanien gekommen um Däumchen zu drehen. Zumindest nicht nur. Also Rucksack für 3 (+1 Tag Notreserve) Tage gepackt, rein in die Gamaschen (gegen Schlangenbisse und weiblicherweise natürlich auch, um die schöne beigefarbene Hose zu schonen) und noch schnell ins Walker-Registration-Book eingetragen (falls man als Vermisst gemeldet wird, erleichtert das die Suche für die Ranger – allerdings muss dazu eine Meldung vorliegen, die Bücher werden nur alle 1/4 Jahre ausgewertet) – und los gings. Da die Sonne hier schon um 5.40 Uhr aufgeht, stand sie um 8 bereits recht hoch – fies, wenn man ihr entgegen läuft. Das Licht ist fast weiß und macht es selbst mit Sonnenbrille schwer, überhaupt ordentlich was zu sehen – an Fotografieren nicht zu denken.

Cape Hauy war nach knappen 2h erreicht und beeindruckte ein weiteres Mal mit atemberaubend hohen Klippen. 170Hm hier laut Wanderführer.

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Mein Apfelbutzen, den ich zu Testzwecken runterwarf um zu sehen wie lange er braucht, war leider nach ein paar Sekunden verschwunden. Über die Formel wie lange ein menschlicher Körper für so eine Höhe braucht (runterwärts) zerbrach ich mir noch lange den Kopf (9,81g mal h mal…!? Als Ergebnis muss aber doch s rauskommen, also h sich rauskürzen.. oder ist g=s/h….!??! Die Antwort würde mich immer noch interessieren: Auf geht’s, ihr Physiker/Mathematiker!)…

Ab der Abzweigung zum Mt. Fortescue wurde es dann einsam – ich hatte gehofft, dass noch irgendwer das gute Wetter nutzen würde aber der lange, kräftezehrende Aufstieg entpuppte sich als einsamer Kampf über und unten durch umgefallene Bäume, durch Matsch, dichtes Farn und cutting grass, über Klippen und moosige Steine. Schon hier machten sich erste Zweifel breit: Zu zweit wäre diese Tour atemberaubend und unglaublich spannend -alleine geht es nur darum, Weg gut zu machen um schnellstmöglich wieder Sonne und wenigstens ein bisschen mehr als nur Bäume zu sehen. Der Gedanke, mich in dieser entlegenen Wildnis zu verlaufen, flammte immer wieder kurz auf – war jedoch genauso schnell wieder vergessen, da die Wege in dieser Gegend wirklich ausgesprochen gut ausgeschildert sind. Am Gipfel angekommen war der einzige Trost, dass es ab nun nur noch etwa eine Stunde bis zum Campingplatz dauern würde. Sicht gab’s nämlich kaum, nur von ein paar exponierten Felsen freier Blick Richtung Cape Pillar: Dem großen Ziel der Tour – aber erst morgen.

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Um dem Namen „Regenwald“ alle Ehre zu machen, wurde es eine nasse Nacht. Ich war früh genug am Campingplatz angekommen um noch in Ruhe zu kochen, mich zu waschen und auszuruhen bevor es anfieng zu schütten. Am nächsten Morgen um 7 gings anstatt nur in Gamaschen und dünnem Longsleeve in der vollen Regenmontur weiter- es schien zwar die Sonne aber am mannshohen Gestrüpp durch das ich zu laufen hingen zahllose, dicke Wassertropfen. Wer schon einmal in Regenklamotten Sport gemacht hat, kennt’s: Ziemlich unangenehme Sache, die Regenklamotten lassen nicht nur Feuchtigkeit nicht nach innen – sondern auch keine nach außen.

Die im Wanderführer als „Heidelandschaft“ beschriebene Tornado Ridge war meine ganze Hoffnung: Entspanntes Laufen bei warmen Sonnenschein durch kleine Büsche!? Hörte sich verlockend an – aber das wäre ja auch zu einfach gewesen. Es war gut 2-3m hohes, dermaßen widerspenstiges Gestrüpp, dass ich teilweise um meine gute Jacke Angst hatte. Und nur um zu beweisen, dass es immer NOCH fieser werden konnte, gesellte sich zu dem dichten Gestrüpp, den zahllosen Spinnennetzen (ohne Spinnen, Jesus!) und den Regenklamotten nun auch noch  ausgedehnte Seen als Weg dazu. Und doch gab es zwischendurch immer wieder wunderschöne Ausblicke – die Landzunge ist relativ schmal, so eröffneten sich sowohl nach Westen wie auch noch Osten immer wieder atemberaubende Aussichten.

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Und als kleines Vor-Geburtstagsgeschenk stand ich urplötzlich und völlig unerwartet auf einer weiten Ebene mit kompletter Rundumsicht. Das ist das spannende hier beim Wandern: Man kann innerhalb weniger Sekunden in einer völlig anderen Vegetation stehen: Plötzlicher Regen- oder Eykalyptuswald, Heidelandschaft, Moor, mannshohe Farne, abrupt hohe Klippen oder nach einer weiteren Wegecke unerwartet eben auf solch einer Fläche.

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Der Ort hatte es mir so angetan, dass ich beschloss hier mein Camp aufzuschlagen und die restlichen 2h bis zum Kap mit leichtem Gepäck weiter zu laufen. Nach einer ausgedehnten Pause in der erst einmal alles ausgiebig trocknete, ich den Zeltplatz einrichtete und die Gegend ein bisschen erkundete, gings mittags dann auf zum großen Finale: „The Blade“, eine hoch aufragende, extrem exponierte Felsnadel von der aus die aufregende Tasman Island (mit Leuchtturm) zum Greifen nahe ist. Absolut atemberaubend. So wie ich die Möglichkeit hatte, die Aussicht zu genießen ist es wohl extrem selten: Keine Wolke am Himmel, kaum Wind -selbst auf dieser Felsnadel nicht- unglaubliche Sicht. Aber auch hier war es wieder schwer, diese umwerfende Szenerie auf’s Display zu bannen – Höhe lässt sich eben nur schwer fotografieren.

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Völlig sprachlos gings nach einer ausgiebigen Pause und dem Mittagessen auf der Klippe zurück zum Zeltplatz um dort gemütlich den Tag ausklingen zu lassen und den Sonnenuntergang bei inzwischen richtig kräftigem Wind zu bestaunen.

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Es ist seltsam – der Wind kam aus Ost, eher Süd-Ost, aber das wenige Gestrüpp das hier auf der „Hurricane Heath“ wächst, ist alles nach Ost geneigt – und Tasmanien ist ja auch bekannt für die Roaring Forties – eben aus westlicher Richtung. Was ich in dieser Form bisher noch nicht gesehen habe, ist das Bodengewächs, welches im Schatten von Steinen wächst: Sie nehmen exakt (!) die Form der Windschattenspender an – wirklich exakt, selbst kleine Kerben im Stein führen diese zähen Pflanzen fort.

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Auf dem Kap und im Ellarway Valley begegneten mir zahlreiche Eidechsen, ansonsten ein paar  Wallabies und am letzten Tag noch ein Echidna – ansonsten gabs tiertechnisch außer zahlreicher Vögel (vor allem Kakadus mit ihrem virtuosen Gesang) nicht allzu viel zu sehen. Der Winter ist hier eben grad erst rum.

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Der letzte Tag stand im Zeichen vom schnellen Heimkommen – endlich wieder Menschen sehen. Ich stand um 5.20Uhr auf um noch den Sonnenaufgang zu erwischen und war um sechs schon auf dem Weg zurück zur Fortescue Bay.

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Die Sonne war warm – wärmer als bisher und ich konnte es nicht erwarten, Steve, dem Campingplatz-Wärter, meine Eindrücke zu schildern und entspannt den restlichen Tag am Strand zu faulenzen. Ein bisschen Däumchen drehen muss ja auch mal sein.

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Jetzt im Nachhinein scheint die Tour sich gelohnt zu haben – allein schon wegen der Bilder. Und doch – während ich mir den Weg durch die Wälder bahnte, vermisste ich die heimischen Alpen. Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt, vielleicht einfach an dem ständigen Weitblick, den weiten Wiesen – oder einfach nur wegen der Nähe zur Zivilisation. Heute – Montag, 4. Oktober, verlasse ich diese traumhafte Fortescue Bay (in der ich meinen ersten Radwechsel am Auto vorgenommen habe – yeah!) und fahre zurück nach Hobart – Geburtstag feiern, endlich wieder etwas anderes als Porridge, Äpfel und Kartoffelbrei essen und vielleicht den einen oder anderen von euch im Internet abzufangen. Ich halte diese Bucht und den Zeltplatz auf der Hurricane Heath in guter Erinnerung.

Und noch etwas Persönliches: Ich laufe hier durch völlig einsame Wälder, sitze auf 200m hohen Klippen, zelte allein irgendwo in der Wildnis, schütze mich vor Schlangenbissen – und war nie der Verzweiflung nahe – und dann gestern abend als ich in voller Vorfreude Laptop und Kamera-Speicherkarte nahm um diesen Blog zu tippen und endlich alle Bilder zu auf der Festplatte sichern, passierte der fotografische Super-GAU: Die Speicherkarte war verschwunden. Gerade noch aus der Kamera genommen und noch schnell den MP3-Player gepackt – und weg war sie. Nach einer verzweifelten Stunde erfolgloser Suche war ich den Tränen wirklich nahe und träumte nachts von lauter ausweglosen Horrorgeschichten. Am nächsten Morgen fand ich sie direkt auf dem Weg zum Auto. Wie sie dort hin gekommen ist, bleibt in Rätsel, fest steht: Ich hab sie wieder. Und habe mir selbst gezeigt, wie wichtig die Fotografie für mich ist. Verrücktes Kind.

Hier zur kompletten Bildergallerie der Tour.

Und hier noch zu einer anderen, kleineren über den ersten Tag auf Tassie.

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3 Comments

  • Reply ulligunde Oktober 4, 2010 at 8:39 pm

    Also knappe sechs Sekunden?

  • Reply eossegeltoern Oktober 7, 2010 at 3:24 pm

    Eindrucksvolle Bilder und auch empfindsam beschrieben! Im Regenwald wenige Wasserstellen? Traumbuchten gibts auch hier im Süden vom Peloponnes. Nach gewaltigem Regen hier in Kalamata wieder ganz ruhig.Mama + Papa

  • Reply Anonymous Juni 6, 2012 at 1:40 pm

    […] meiner Ozeanien-Reise war ich schon öfter allein in den Bergen unterwegs – meine erste Mehrtagestour (Cape-Pillar-Track) auf Tasmanien war jedoch trotz herrlichstem Wetter eher eine Tortur. Den ganzen Tag in so dichtem […]

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