Einfach mal schauen! (Pimig & Schwarzer Kranz / Lechtal)

Dezember 8, 2018
Lechtal Bergtour

Beide sitzen wir angespannt im Auto. Beide!? Ich, wie immer vor so einer anspruchsvollen Bergtour, sorge mich um die Ausgesetztheit. Um das »Werde ich mich fürchten?«. Er sitzt normalerweise daneben, redet gut zu, verbreitet gute Laune. Diesmal aber bin ich diejenige, die sagt: »Schauen wir einfach mal! Wenns nicht geht, drehen wir einfach um!«. (Pimig und Schwarzer Kranz, September 2018)

Pimig NordseiteEr machte sich nicht etwa Sorgen um die Bergtour. An die verbrauchte er keinen einzigen Gedanken – das abgelatschte Profil seiner gewählten Schuhe bewies es. „Anspruchsvolle Bergtour, extrem ausgesetzt. Bei Nässe oder Schnee heikel«, stand im Führer. Beim Anblick der angezuckerten Nordhänge gelinde gesagt: ungünstig. Beides für sich und in Kombi erst recht. Einzig die schneefreien sonnigen Expositionen und die warme Herbstsonne rechtfertigten das »schauen wir einfach mal, wie weit wir kommen«.

Expressabstieg per Gleitschirm. Vielleicht.

Eiskristalle GrasEr aber sorgte sich um das i-Tüpfelchen, das wir dort oben vor hatten: Wir wollten uns den Abstieg sparen und mit den Gleitschirmen hinunter zum Parkplatz fliegen. Laut den Bildern, die wir im Führer gefunden hatten, sollten uns dort oben einige Grashänge erwarten. Aber wie immer ist da die Frage: Wie steil sind sie in Realität? Sind sie womöglich mit irgendeiner garstigen Botanik übersät? (Ich nenne sämtliches Gemüse in diese Richtung inzwischen nur noch „Teufelskrallen“, denn sie krallen sich teuflisch in jede Leine und geben sie nur ungern frei, auch wenn sie deutlich kleiner sind als das Original…)

Wir machen Fehler

Pimig, Bergtour Lechtal

Und vor allem: Was ist mit dem Wind? Aus welcher Richtung, wie stark und werden wir alle nötigen Anzeichen richtig deuten? Lange hatten wir unsere Lizenz noch nicht, wir waren uns der Gefahr bewusst, dass wir Fehler machen und uns wettertechnisch noch lange nicht zur Gänze auskennen. Zugegeben, ich befürchte, er ist sich dieser Gefahr mehr bewusst als ich.

Auf zum Pimig

Pimig LechtalUnd dann standen wir da. Am Parkplatz am hintersten Zipfel des endlos langen Lechtals. Ein herrlicher Herbsttag, kein Mensch unterwegs. Wir genossen mit allen Sinnen die Zweisamkeit, wanderten mal im Gespräch versunken, mal den Gedanken nachhängend durch die Landschaft. Die Kälte des vergangenen Schneefalls steckte noch im Wald, die warmen Sonnenstrahlen waren eine Wohltat, wann immer wir sie durchkreuzten.

Vage Pfade

Wir schlenderten der Nase nach, mal auf dem Weg, mal weglos in jene Richtung, die wir für richtig hielten. Es gab keine Markierungen, nur einen vagen Pfad. Steil und noch nicht rollstuhlgerecht saniert. Es wurde steiler, ich wartete nervös auf jene Stelle, die als »extrem ausgesetzt« im Führer erwähnt war. Der Blick wurde frei auf die benachbarten Großen des Allgäus, des Lechtals und des Bregenzer Walds. Wir sind uns dieses Privilegs bewusst, in solch einer sagenhaften Bergwelt leben zu dürfen.

Querung im Schnee

Bergtour Lechtal

Irgendwann erreichten wir eine Felswand, quasi die Headwall des Pimigs. Alles war unter eine löchrigen, dünnen Schneeschicht verdeckt, wir beratschlagten, ob wir einfach schnurstracks nach oben klettern oder doch dem beschriebenen Weg folgen sollten. Dieser querte allerdings einmal die gesamte schneebedeckte Nordflanke. Wir entschieden uns doch für den Weg, hatten Respekt vor dem schneebedeckten, steilen Schrofengelände und eierten stattdessen über den noch gut erkennbaren Pfad hinüber und hoch in die Sonne. Das waren nicht die idealen Schuhe für die Querung, aber ich hatte mich schon sehr oft sehr viel unwohler gefühlt. Das konnte also nicht die »extrem ausgesetzte« Stelle gewesen sein. Oder… doch?

Einfach wandern

Pimig, Lechtal

Das Gipfelkreuz stand unterhalb des eigentlichen Gipfels, an dem wir eine Rast einlegen. Ich war an meine Kindheit erinnert – es fühlte sich an wie einfaches Wandern. Gemütlich. Mit großer Brotzeit und Thermoskanne im Rucksack. Keine Klettertour, die jetzt noch wartete. Keine Nervosität, einfach purer Genuss in dieser einsamen, herrlichen Landschaft.

Wir saßen in der Sonne, aßen unsere Brote (auch mal kein Snickers, sondern richtig liebevoll belegte Brote!) und unterhielten uns über Gott und die Welt. Warum wirken die Berge eigentlich auf uns so stark? Ist es die Ruhe? Die Abgeschiedenheit von anderen Menschen? Die Freiheit der Gedanken? Die schiere Schönheit?

Hier starten?

Brotzeit Wandern Rab Microlight SummitDann irgendwann die Frage: Hier die Gunst der idealen Startbedingungen nutzen oder doch noch rüber zum »Schwarzen Kranz«? Bisher hatte ich (!) noch nichts von einer extrem ausgesetzten Stelle bemerkt, sie musste wohl also noch kommen. Der Grat hinüber sah spannend aus. Felsig vor allem. Aber nicht lange. Und irgendwie verlockend. »Schauen wir einfach, wie weit wir kommen!«.

Herrliche Kraxelei

Der Grat entpuppte sich als herrliche Kraxelei, wirklich nicht schwer, wirklich nicht ausgesetzt. Schneller als gedacht standen wir am Gipfel. Pure Glückseligkeit! Statt ausgesetzter Stellen hatten wir einfach eine herrlich abwechslungsreiche Bergtour erlebt. Einzig der Wind war – wie das eben immer so ist – nicht ganz herrlich. Tendenziell aus Ost. Oder doch West?

 

 

Gerade als wir die Schirme auslegen wollten, dreht der Wind vollends. Erleichtert ob der mehreren Möglichkeiten stiegen wir einfach wenige Minuten ab und wechselten die Gratseite. Legten aus und starten dicht hintereinander hinaus in die Luft. Perfekter Start, ruhige Luft. Wir glitten entlang der Grashänge, erkundeten von oben die Furchen, Flanken und Flächen dieser Landschaft. Wie wunderschön!

Das Geschenk »Gleitschirm«

Hike and Fly LechtalUnd wie großartig, dieses Geschenk »Gleitschirm« erleben zu dürfen. Einige Minuten später landeten wir auf einer gemähten Wiese nahe dem Auto, packten zusammen. Das Gefühl? Unbeschreiblich. Fröhlich über die schöne Bergtour. Erleichtert, dass der Plan des Fliegens so gut aufgegangen war. Dankbar, dass wir gerade nicht einige Stunden absteigen mussten. Beeindruckt von dieser sagenhaften Landschaft.

Was für ein perfekter Tag!

Wandern Lechtal»Seids ihr jetzt da oben gestartet?!«. Eine Frau hielt mitten auf der Straße an und schaute uns mit großen Augen an. Wir wechselten beide sofort in Hab-Acht-Stellung, das ist keine gute Frage. Tendenziell war es hier erlaubt zu fliegen, aber wer weiß, in welches Verbot wir vielleicht getrampelt waren?

Er antwortete ausweichend, nach wenigen Sätzen war aber klar: Die Frau fand es einfach nur sensationell. Quetschte uns aus, war interessiert. Durch und durch fröhlich – sie freute sich sichtlich für uns, dass wir das gerade – vor allem als Paar – erleben durften. Bald stellte sich heraus, dass wir genau auf ihrer Weide gelandet waren. »Ach, kein Problem, kein Problem! Ist doch eh schon gemäht! Und heut ist doch einfach so ein schöner Tag!«.

Wir verabschiedeten uns, sie fuhr davon und lies uns mit einem ungläubigen, dankbaren Lächeln zurück. Was für eine nette Frau! Was für ein perfekter Tag!

 

Facts: Bergtour Pimig und Schwarzer Kranz

Ein Rutscher in der Querung der Pimig-Nordseite endet wahrscheinlich mit einem Absturz über die gesamte Nordwand, es lohnen sich also ordentliche Bergschuhe und das Abwarten auf die passende Witterung. Bei Schneelage ungünstig. Ansonsten herrlich einsame Bergtour im letzten Eck des Lechtals.

Schwierigkeiten: Ausgesetzte Flanke am Pimig, kurze, nicht ausgesetzte Kaminpassage (II-III?) am Grat zum Schwarzen Kranz. Wer die Wand am Pimig direkt erklettert, bekommt laut Führer* Schwierigkeiten bis II-III serviert.

Infos Gleitschirm: Es wird in diesem Tourenbericht absichtlich auf genauere Infos verzichtet. Ein Kartenstudium sollte für die eigene Planung ausreichen.

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3 Comments

  • Reply Ariana Dezember 9, 2018 at 10:40 am

    Was für ein wunderschöner Bericht – die Bilder machen direkt Lust darauf, selbst loszukraxeln – der Fels sieht echt toll griffig aus 🙂
    Liebe Grüsse
    Ariana

  • Reply Tom März 13, 2019 at 11:08 am

    Danke für den Bericht. Bei dir kann ich mich schon mal gut umschauen für die kommende Saison 🙂

    • Reply ulligunde März 14, 2019 at 11:31 am

      Na dann schon mal viel Spaß dabei!

      Liebe Grüße,
      Erika

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