Für potenziell außerordentlich bescheuerte Ideen braucht es potenziell verrückte Tourenpartner. Lena also. Wer sonst. Immerhin bestand die Gefahr, dass wir die Ski einen Großteil tragen würden. Einen großen Großteil. Womöglich schlichtweg die gesamte Tour. Klingt bescheuert? Probieren wir!
Sieben Uhr. Die Sonne ging an dem wolkenlosen Himmel auf, die Hänge um uns herum leuchteten im frühlingshaften grün. Die Vögel zwitscherten. Schnee? Weit und breit kein Hauch. Warum auch, gefühlt war es Sommer! Fast zumindest, denn eine Sache stimmte an der Szene nicht: Zwei Mädels, Skistiefel an den Füßen, Ski an den Rucksäcken standen mit leicht fragendem Blick am Parkplatz: Sollten wir womöglich doch besser die Turnschuhe anziehen!?
Ski & Climb?
Nein, drei Paar Schuhe den Berg hochschleifen, das kam nicht in Frage. Mädels wird zwar die Sache mit den vielen Schuhen hinterhergesagt, aber… Nein. Immerhin füllte die Rucksäcke nicht nur Ski-, sondern auch ein ganzes Sortiment Alpinklettergeraffel. »Ski and Climb«, das war der Plan. Und »Bschießer Südkante« hieß das Kind!
Hike, Ski & Climb!?
Nach den ersten zweihundert Höhenmetern war weder von »Ski« noch von »Climb« etwas zu sehen. Wandern war angesagt. Mit Skistiefeln ja grundsätzlich ein besonderer Spaß. Ab der Waldgrenze hatten wir bei der Planung insgeheim auf Schnee gehofft. Serviert wurde: Gras. Immerhin ganz zögerlich durchsetzt mit weiß-braunen Flecken. Wird schon noch!
Latschentango
Weitere hundert Höhenmeter später wechselte das Angebot: Statt Gras gabs Schnee, recht exzessiv durchsetzt mit Latsche. Aber hey, immerhin Schnee! Beim ersten Fetzen Weiß klickte die Tourenbindung, die nächsten paar Höhenmeter gab’s statt klappernde Skistiefel auf Gras leichtes Gefluche über in Latschen feststeckende Körperteile.
Ski deluxe!
Bekanntlich hat aber ja alles irgendwie ein Ende und belohnt wurde dieser Abschnitt mit freien, weißen Hängen. Skibedingungen deluxe! Durchgefroren, keine Spur mehr von Gras. Team Lenagunde in dem gesuchten Element! Ayayayayyy!!
Der Turbo wurde gezündet, sie mit drei Wochen bolivianischer Viertausender-Akklimatisation, ich mit frisch gezüchteten Venter-Runde-Muskeln. Ratz-fatz erreichen wir die erste Sonne, hundert steile Höhenmeter später die Scharte zwischen Ponten und Bschießer.
Motiviert!
Während die Ski ein ausgiebiges Sonnenbad in Latschen erhielten, stiegen wir auf der anderen Seite wieder ab und suchten nach einer markanten Kante. Unverfehlbar kam sie plötzlich in den Blick. Kurzes Nachfühlen: Was macht die Motivation? Lust? Vorhanden! Definitiv zu 100% vorhanden!
Schere schlägt Stein!(?)
SchnickSchnackSchnuck entschied darüber, wer mit zwei kurzen, leichten Seillängen chillen und wer sämtliche »langen« und »schweren« Seillängen übernehmen durfte. Merke für die Zukunft: Stein schlägt Schere. Und wer sich das merkt, guckt auch nicht so verdutzt, wenn der Spielpartner nach der zweiten – ebenfalls gewonnenen – Runde den Sieg für sich verbucht. „Erika, du kannst jetzt nicht mehr gewinnen!“. Wie!? Was? Aber ich hab doch… Hab ich nicht? Kurzum: Lena vor, 20 Meter pure fünfer-Genuss-Kletterei, noch dazu an den wichtigen Stellen mit Bohrhaken einwandfrei gesichert. Endlich wieder Alpinklettern! Wie geil! Aaaah!
IST DAS SCHÖÖHÖÖÖÖN!!
Schnickogunde hinterher. Ab dem ersten Meter ausgiebig die Felsqualität feiernd. Wahnsinn, wie fest ist das denn bitte alles!? Nach einem überraschend anstrengenden Bauch zu Beginn der nächsten Seillänge kam eine Henkelparade, wie ich sie noch nie erlebt habe. „Lena-aaaah! Ist das schööööön!!!“. Ich feierte jeden Griff. Das ist Genuss! Purer Genuss! Und dieser Griff hier! Und der hier! Wahnsinn!!
Minimal euphorisch
So ging es weiter, Lena still genießend, ich lautstark feiernd, so große, feste Griffe hatte ich ja noch selten in der Hand. Wie schön! Wie schöööön!! WIE SCHÖÖHÖÖÖÖÖN!! Die wenigen Eintragungen im Wandbuch erhielten einen weiteren, eindeutig euphorischen Beitrag, bevor noch eine sensationell schöne weitere Schlüsselstelle wartete. Hatte ich schon erwähnt, dass jeder Zug ein Fest war? Nein?! Sicher ist sicher: WIE SCHÖÖÖÖN ist diese Kletterei denn bitte! Wahnsinn!
Die Ausrüstung fürs Alpinklettern:
Vier Sportarten, drei Jauchzer
Nach fünf Seillängen war der Spaß vorbei, zwei einwandfreien Abseilmanövern später standen wir wieder an den Rucksäcken. Feiernd. Immer noch. Die Gleitschirmflieger über uns jauchzend über die sichtlich hervorragende Thermik, ein Gipfelaspirant stimmte direkt mit ein. Nur der vorbeiziehende leicht bekleidete Trailrunner schaute verstört, als wir in voller Montur äußerst breit grinsend die Ski anschnallten. Das Feiern der sensationellen Griffe ging direkt ins Feiern des sensationellen Firns über. Selbst die Fahrt durch die Latschen ging überraschend gut.
Kaffee mit Waffeln mit Radler mit…
Während die Skistiefel wieder über den Forstweg klapperten, wurden die wirklich wichtigen Dinge des Lebens besprochen: Was jetzt? Eiskaffee? Vanilleeis mit Himbeeren! Kuchen? Kaiserschmarrn? Waffeln! Radler? Von allem ein bisschen und Hauptsache auf der ulligundsche Terrasse. Ja, perfekter hätte dieser Tag wohl kaum laufen können. Sensationell! Wie schön! SOO SCHÖÖÖN!
Die Ausrüstung für Skitouren:
13 Comments
Schöner Bericht, der jedoch einer Korrektur bedarf. Der richtige Name des Berges ist „In (den) Scheißer in Spiz“ oder auch „Scheißer Kopf“. Er wurde nur aus touristischen, „political correctness“ Gründen in „Bschießer“ umbenannt. So ist es einigen Bergen, wie z.B. auch dem Metzenarsch ergangen, sodass diese Berge nun leider falsche Namen tragen.
Hi Receb,
na dann ist die Korrektur quasi hiermit aufgenommen 🙂 Merci für Deine Zeilen!
LG,
Erika
Hallo,
ich bezweifle, dass sich die Namensänderung nur aus touristischen Gründen ergab. Namen ändern sich über die Jahrhunderte überall und ständig: bei Städtenamen, Straßen, Nachnamen und eben auch bei Bergnamen. Der name „Bscheißer“. Korrekt: der damalige Name „Scheißer Kopf“ wurde wohl als zu ungehobelt empfunden. Aber: Namen unterliegen nun einmal einem steten Wandel, so dass man hier nicht von einem „falschen“ Namen sprechen kann. Der Name Wolgograd ist ja auch nicht „falsch“ 😉
Ein interessantes Werk hierzu ist das Buch „Allgäuer Bergnamen“ von T. Steiner.
Lieben Gruß und schöne Feiertage
Thomas
Hey,
das klingt ja nach größtem Spaß. Freut mich für euch beide ?
Die Kante werde ich mir wohl auch mal anschauen müssen…
LG Joe
Heimat macht glücklich…und Frau kann gute Bedingungen abwarten?.
Tolle Tour! Diese Art von „scheinbar schwachsinnigen Enchainments“ machen doch besonders viel Spaß. Daumen hoch!
Hi Alex,
da hast Du allerdings Recht! Die Touren, an die man eher geringen Erwartungen beginnt, werden oft die besten =)
LG!
Erika
Des schaut guat aus! Also für solche Touren haben wir ebenfalls eine Vorliebe. 😀
Und definitiv Eiskaffee, gefolgt von Radler! 😉
Sehr vernünftige Kombination! Sollten wir dann nach unserer Weißkugel-Aktion in die Realität umsetzen =)
LG!
Erika
*hach* ich mag Deine Beiträge!
Hach, und ich freu mich immer über Kommentare von Dir 🙂
Bis bald mal, Herr Fotograf!
LG
Erika
Klingt .. ungewöhnlich. Aber entpuppte sich ja als sensationeller Erfolg. Schön, dass es mit dem Skilauf letztlich doch geklappt hat und das Wetter war den Bildern nach ja auch voll auf eurer Seite. Nach so einer Tour kann man erschöpft und glücklich ins Bett fallen. Vielleicht eine verrückte Idee, aber eine zum Nachahmen.
Hi Janine,
aber hallo! Aber manchmal werden auch die komischen Ideen belohnt =)
LG!
Erika
Nach so gut wie jedem Blog-Artikel oder Podcast einfach ein dauergrinsen, mit Freude auf die nächsten Touren.
Super entspannter Artikel, bei dem man einfach von der Stimmung mitgerissen wird! Die Tour ist definitiv in Planung!