Wenn der Weg zum Ziel wird (Nagelfluh-Überschreitung mit Ski)

Februar 13, 2017

Eine Tour, bei der man sich auf rund achtmal Auffellen einstellen darf. Auf deutlich über 2.000 Aufstiegs-Höhenmeter. Auf Druckschmerzen, womöglich gar Blasen und ganz sicher den ein oder anderen „Warum nochmal machen wir das??!“-Gedanken. Und wie schlecht der Schnee sein würde – wenn es denn überhaupt genug hat – war schwer zu sagen. Für sowas braucht es äußerst abgehärtete, naive oder aber verrückte Tourenpartner. Für sowas braucht es eine Lena.

Es ist ja nicht so, dass wir sonst keine Ideen hatten. Ideen, bei denen wir von gutem Schnee und hohen Gipfeln ausgehen hätten können. Aber nein, der Tourenführer wirft auf der Suche nach vielen Höhenmetern und schattseitigen Abfahrten spontan die Nagelfluhkette in den Ring. Und anstatt auf die ernsthaft ernüchternde Webcam hinzuweisen, den bösartigen Harsch, den wir dort kürzlich hatten oder auf die (für uns) völlig verrückten Höhenmeter („Mindestens 1.500 hm, ohne Bahnaufstieg kommen weitere 800 hm hinzu“) kommt von der Lena nur ein: „Cool! Wollte ich eh schon immer machen! Wann starten wir?“.

Tschällensch aksäptet!

5 Uhr am Parkplatz in Gschwend, gemeinsame Weiterfahrt zur Talstation der Hochgratbahn mit nur noch einem Auto. 5.30 Treffpunkt mit einer dritten Verrückten im Bunde, die sich zwar nicht die Überschreitung, aber zumindest den Sonnenaufgang am Hochgrat gönnen möchte. Mit dem Wissen, dass wir am Hochgrat noch nicht mal die Hälfte der Höhenmeter haben werden, zwingen wir uns zu einem möglichst langsamen Tempo. Solch lahme Enten hatte die Karo wohl noch nie als Begleitung ;-). Immerhin braucht es kaum Stirnlampen, der Vollmond leuchtet wie verrückt. Noch ein Verrückter. Passt ja gut.

Freie Gedanken

Nach einer Stunde legen wir ein wenig an Tempo zu, den Sonnenaufgang zu verpassen wäre dann doch blöd. Meditatives Gehen, loses Herumkreisen der Gedanken, wenig Gerede. Jeder steckt in seiner Welt. Erst als wir auf den Grat kommen, die Infrastruktur endlich hinter uns lassen und der Blick auf das Bergpanorama von Tödi bis Habicht in der Morgendämmerung fällt, wird es auch im Kopf langsam hell.

Gipfel 1: Die Wege trennen sich

Am Hochgrat, unserem ersten Gipfel, trennen sich unsere Wege. Karo cruised zurück auf die Couch, Lena und ich starten in die entgegengesetzte Richtung. Unser Ziel, der Stuiben, ist noch nicht einmal in Sichtweite. Zum Aufwachen wählen wir die direkte Gipfelrinne. „Schlauch“ nennt man das im Allgäuer Fachjargon. Und Schläuche gibt es hier viele. Mal schmal, mal steil. In unserem Fall schmal und steil, aber immerhin gut gefüllt mit Pulver auf Eis. Hätte schlimmer sein können!

Gipfel 2: Rindalphorn

Am tiefsten Punkt lauert das wohl größte Manko dieser Überschreitung. Auffellen.
Der Gegenanstieg geht überraschend gut, wir fühlen uns fit und stehen schnell am Vorgipfel des Rindalphorns. Graziöse Abfahrt mit Fellen auf abschüssigem Hang, pittoresker Sturz, finaler Aufstieg in Richtung Kreuz.
Skidepot, Rindalphorn. Gipfel Nummer zwei, Laune immer noch gut.
Abfellen, schmale Schlauchabfahrt. Besserer Schnee als zuvor, unten gar fast schon Firn.

Gipfel 3: Gündleskopf

Unten fellen wir zur Abwechslung mal wieder auf und steigen in Richtung Gündleskopf. Wieder Skidepot an der Rinne, wieder zu Fuß zum Kreuz und schwupps: Gipfel Nummer drei. Wir machen eine lange Pause, immerhin haben wir jetzt schon deutlich über die Hälfte der Höhenmeter!

Die Sonne lacht, wir lachen auch. Den Buralpkopf könnte man sich von hier auch mit weniger Höhenmetern zu Fuß direkt über den Grat verdienen, wir aber sind ja wild auf Höhenmeter, gönnen uns eine weitere Firnabfahrt und tun deshalb zur Abwechslung mal wieder:  Abfellen, Abfahrt, Auffellen, Aufstieg.

Gipfel 4: Buralpkopf

Der Preis für diesen Ehrgeiz ist ein Hatsch-Abstecher, den man genauso auch wieder zurück nehmen muss. Macht aber nix, wir liegen gut in der Zeit.
Buralpkopf, Check. Abfellen, Abfahrt. Wat für ne Abfahrt! Firn der Extra-Superklasse! Wir jauchzen runter, ich packe gar die Kamera aus, obwohl das langsam schon ein wenig Überwindung kostet. Die Beine werden langsam etwas schwer. Kein Wunder, wir sind inzwischen bei rund 1.900 Aufstiegs-Höhenmetern. Weil der Schnee gleich SO gut ist, fahren wir weiter ab als nötig, fellen mal wieder auf und treten den vorletzten Gegenanstieg an. Der Sedererstuiben steht als nächstes an.

 

Diese Ausrüstung war auf der Nagelfluhkette dabei:

 

Gipfel 5: Sedererstuiben

Wie immer sieht der Hang vom vorigen Gipfel deutlich steiler aus als er sich dann entpuppt. Inzwischen gibt es auch kaum noch Spuren, den herrlichen Gipfelhang vom Buralpkopf mussten wir nur mit einer einzigen weiteren Linie teilen. Das Grinsen reicht inzwischen einmal rundherum. Zumindest bei mir, Lenas friert kurzzeitig wegen der stollenden Felle ein… Immerhin kleben sie bei uns beiden noch – wir hatten anderes befürchtet. Der Sedererstuiben erwartet uns mit seinem wunderschönen Kreuz (es ist ganz schlicht aus Holz, aber nur knapp zwei Meter groß. Da fühlen wir Zwerginnen uns gleich ganz groß 😉 ) und mit dem Blick auf den letzten Gipfel. Moment: Letzten Gipfel?

Gipfel 6: Stuiben!

Lena spricht aus, was auch in meinem Kopf hängt: Sollen wir nicht noch weiter? Steineberg und Mittag? Wenn wir schon mal da sind? Eine weitere Abfahrt und ein inzwischen für uns zu vernachlässigender Gegenanstieg bringt uns zum Gipfelbankerl vom Stuiben. Anstatt das Leben zu feiern, strecken wir unsere Fühler aus, um uns eine Fahrgelegenheit von Immenstadt nach Gschwend zu organisieren.

Gipfel 7+8?

An einem sonnigen Samstagnachmittag scheinen aber unsere Immenstädter Freunde alles andere vorzuhaben, als uns spontan von A nach B zu kutschieren. Komisch! So überlassen wir die Entscheidung diesem Schicksal und bleiben beim ursprünglichen Plan. Abfahrt nach Gschwend. Wobei, „Abfahrt“ trifft es selbstverständlich nicht. Denn nach sensationellem Pulver (wo kommt der eigentlich her?!) lauert mal wieder das kleine Nagelfluh-Überschreitungs-Schreckgespenst: Harrharrr, GEGENANSTIEG!

One last time (hoffentlich!?)

Wir schauen etwas ungläubig, fügen uns dem Schicksal und fellen noch ein weiteres Mal auf. Bei der letzten Abfahrt bekommen wir dann zur Komplettierung des Angebots nach Pulver und Firn auch noch garstigen Harsch-Eis-Wald-Cocktail, der unseren Schenkeln zuverlässig den Rest gibt. Raus aus den Schuhen, rein ins Auto. Zurück zum Ausgangsort. Dort ein kurzer Blick hinauf auf den Hochgrat: Nein, nochmal müssen wir da heute nicht mehr hoch 😉

 

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8 Comments

  • Reply Chris Februar 13, 2017 at 9:50 pm

    Yeeehaaa!!! Keep the videos coming 🙂

  • Reply Joe Februar 13, 2017 at 9:51 pm

    Hey Erika,

    das hört sich nach einem super schönen Tag an. Freut mich für euch zwei.
    Das Video ist witzig. Hast mich damit zum schmunzeln gebracht 🙂

    Wollte da irgendwann auch noch drüber. Mal schauen.

    LG Joe

  • Reply Sebastian Februar 14, 2017 at 11:00 am

    Vielen Dank für den Bericht und für die tollen Bilder. Ich habe eine technische Frage: Wie bekommst Du die Sonne so schön als „Stern“ hin? Abblenden ist klar. Bei künstlichen Lichtquellen klappt das auch prima und es gibt wunderschöne Sterne, aber die Sonne erscheint auf meinen Bildern immer nur als heller Fleck. Für ein wenig Nachhilfe wäre ich sehr dankbar. 🙂

    • Reply ulligunde Februar 14, 2017 at 12:05 pm

      Hi Sebastian!
      Verrückt, bei künstlichen Lichtquellen geht’s, bei Sonne nicht? Das Problem hatte ich bisher nicht. Ich fotografiere inzwischen mit Blende 11 etwa, bei noch kleinerer Blende wird mir der Stern zu intensiv und die Bildqualität zu schlecht. Die Anzahl und Form der Strahlen hängt auch immer vom Objektiv ab (v.a. von der Anzahl der Lamellen) – ganz plump kann man (finde ich) schon sagen, dass je hochwertiger die Linse, desto klarer der Blendenstern. Aber dass es einen Unterschied zwischen Kunstlicht und (unverhangener) Sonne gibt, habe ich bisher noch nicht gehört. Ich zieh mal meinen Foto-Mentor hinzu. Sekunde 😉

      LG!

      Erika

    • Reply Martin Februar 14, 2017 at 12:11 pm

      Hi Sebastian, eventuell kann ich deine Frage beantworten. Der Blendenstern hängt vom Objektiv ab und im speziellen dann von der Form der Blendenlamellen. Die exakt gleiche Form des Sterns erreichst du also nur mit dem gleichen Objektiv 🙂

      lg Martin

  • Reply Immanuel Februar 14, 2017 at 1:37 pm

    Hallo Sebastian, meine erste Vermutung ist das du dunkler belichten musst. Dazu kommt wenn es leicht diesig ist gibt’s keinen Sonnenstern. Um welches Objektiv handelt es sich bei dir? An einem klaren Tag mal eine Testreihe machen und vergleichen 😉

  • Reply Sebastian Februar 14, 2017 at 10:48 pm

    Danke für Eure Antworten. ich möchte die Kommentare jetzt nicht für meine technischen Fragen kapern, bin aber natürlich dankbar für jede Hilfe. 🙂

    Also, das Objektiv ist ein Tamron 28-75, 2.8 und hängt an einer Nikon D600.

    Blende 8 bei Dunkelheit sieht z.B. so aus : https://flic.kr/p/mxhp1g
    Blende 8 bei Sonne aber so: http://www.rose.fm/wp-content/uploads/2017/01/SRO_4056.jpg

    Evtl. auch eine Frage der Belichtungszeit? Ich muss wohl wirklich mal testen. 🙂

    • Reply ulligunde Februar 15, 2017 at 12:52 pm

      Hi Sebastian, hast du auch schon mal ein Foto bei klarem Himmel gemacht? Bei den Schleierwolken hätte ich mit meinem Setup auch keinen Stern, glaube ich…
      Kapern ist übrigens kein Problem 😉
      LG!
      Erika

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