Sechs Wochen. Einerseits fühlt es sich viel länger an, ich erinnere mich nur noch dunkel an die Fahrt nach Schweden, das Zusammentreffen mit den ersten Gäste, an die erste Tour. Zu viel ist in der Zwischenzeit passiert, zu sehr war man rund um die Uhr auf Achse und stand unter ständigem Strom – ganz besonders die letzten zwei Wochen, wo Tourorganisation, stundenlanges Autofahren, Wandertouren Auskundschaften und Gästebetreuung den ganzen Tag über passieren musste – bestenfalls nacheinander, meistens doch eher gleichzeitig und 14h am Tag.
Ich muss die Bilder anschauen um mich an die erste Tour vor sechs Wochen zu erinnern: Sechs Tage Trekking durch das schwedische Fjäll. Wir hatten größtenteils gutes Wetter, es war eine tolle Gruppe, die Landschaft tat ihr Übriges. Ich erinnere mich noch an Roman unseren toureigenen Koch der uns ein ums andere Mal mit den gewöhnungsbedürftigen, hauptsächlich dehydrierten Nahrungsmitteln erstklassig bekochte. Caro die mir wie selbstverständlich ihr Messer für meine restliche Zeit in Skandinavien ausborgte, nachdem meines verschwunden war… An Claudi mit ihrer fröhlichen Art, Christian unseren Packesel und natürlich das Käferchen Klaus, das hoffentlich nicht ohne nochmaligen Outdoorkurs sich in die schwedische Pampa aufmacht… 😉
Szenenwechsel: Von sieben Tagen per Pedes ging es anschließend gemütlich Kanufahren und vor allem: Kochen. Sechs Tage, die mit hartnäckigem Regen begannen und mit bestem Sonnenschein endeten, die Kochtöpfe und Pfannen immer mit den herrlichsten Süßspeisen gefüllt. Und für den Adrenalinausstoß noch die heftigen Stromschnellen (Wildwasser 2!), die wir annährend unbeschadet überstanden. Zwar gingen zwei Paddel flöten, aber die Gäste blieben unverletzt, was mir in dieser Sekunde das einzig Wichtige erschien – und immer noch erscheint.
Mit dem Sonnenschein reisten anschließend eine Gruppe junger Spaßvögel an, mit Schuhen die noch im Camp völlig auseinanderfielen, mit viel Aktionismus, mit jugendlicher Unbeschwertheit, mit lustigen Dialekten und bei allen: einem unerschöpflichen Lachen im Gesicht. Wir liefen drei Tage bei herrlichstem Sonnenschein übers Fjäll, beobachteten zwei Elche, entgingen auf wundersame Weise dem Gewitter, trafen vier junge, sehr sympathische Frankfurter die als Tollstes am schwedischen Fjäll fanden, dass am Himmel kein einziger Kondensstreifen zu sehen ist (!!!), arrangierten uns mit überlaufenden Plumpsklos, badeten in eiskalten Bergbächen und setzten uns beim Marshmallow-Essen den kompletten Zucker- und Lachflash. Weiter ging’s mit dem Fahrrad zur Kanustation, auf dem Weg lächelte uns plötzlich ein kühles blondes Bierchen an, bei den Kanus dann noch leckerer Kaffee und Kuchen und wenige Stunden später erreichten wir immer noch in perfektem Sonnenschein unseren ersten, wunderschönen Lagerplatz. Das gekaufte Bier wurde kühl gestellt, die Gäste planschten gemeinsam mit den Fischen während ich am Ufer schon mal das Feuer vorbereitete. Weiter ging’s durch spaßige kleine Stromschnellen, um Wehre herum, durch Brücken hindurch, es gab Nutellabrote, Müsliriegel, Haribo und Schokolade mitten auf dem See und eigentlich ständig was zu Lachen.
Zurück im Camp kam der Rückruf nach Stömne. Die Trekkingtour durch Norwegen, die mir die letzten vier Wochen als Motivator diente wurde gestrichen, ich solle die Hüttentour eine Woche später übernehmen. Bis dahin: Campwoche in Stömne. Es kommt halt immer anders als man denkt, vor allem im Tourismus.
Bereits in Oslo bekam ich eine kurze E-Mail vom Chef in Münster: „…ach noch was: Deine Reisegruppe ist die älteste die Rucksack Reisen jemals hatte! Die Gäste sind 50 bis 74 Jahre. Viel Spaß!“
Bilder von Krückstöcken gingen mir durch den Kopf – und im nächsten Moment meine Eltern, die auch bereits über sechzig sind und noch die Weltmeere besegeln und hohe Berge besteigen. Man ist nur so alt wie man sich fühlt. Dass ich individuell die Wanderungen anpassen könnte, machte die Sache im Übrigen einfach. Bei der Mehrtagestour durch den Jotunheimen Nationalpark wäre das etwas anderes gewesen.
Nun, vierzehn Tage nach dieser E-mail kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass die letzte Tour nochmals ein großes Highlight war. Das schlechte Wetter machte die Landschaft nur noch halb so aufregend, dafür war die Zusammenstellung der Gruppe wunderbar. Hobby-Sterneköche, erstklassige Botaniker, Quasselstrippen, Purzel, Trolle und Schluppis, Besserwisser und Ungeduldige, Ruhige und Nie-Ruhige, all das kombiniert mit derer Lebenserfahrung und meiner jugendlichen Wuselei, entstand eine Gruppe die wenig Anleitung aber manchmal umso mehr Nerven benötigte. Die Worte beim Vortreffen in Münster von Stephan: „Esst keine Pilze von Gästen, wenn ihr euch selbst nicht 100% damit auskennt. Ihr seid der Tourbegleiter, euch muss es gut gehen“ fest in meinem Ohr sah ich direkt am ersten Abend die Pilze in den Topf wandern. Und am zweiten. Und am dritten. Und jeden weiteren Tag. Bei Wanderungen musste ich bald meine Gäste wie Schäfchen langsam aber sicher den Berg hinunter treiben, immer wieder von „soo-tollen-Pilzplätzen!!“ wegzerren, immer schauend, ob sich nicht irgendwo noch eins auf der Suche verirrt hat.
War das Wetter wieder so schlecht, dass selbst die hartgesottensten Sammler der Gruppe nicht mehr vor die Türe wollten, wurde eben in der Küche weitergezaubert: Pilze wurden akribisch gereinigt, Beeren eingekocht, Schluppen im Blenderschnitt geschnitten, Kuchen, Zopf und Brot gebacken, es wurde blanchiert und geputzt, gerieben, gestampft, Sahne per Hand geschlagen und Kaffee gekocht. Mein berühmter Struwen – frittierter süßer Obstpfannkuchen – kam bei dieser Fülle an grandiosem Essen gar nicht zum Einsatz… Und wenn der Himmel doch einmal aufriss, widmeten wir uns ebenso akribisch den norwegischen Superlativen: Wir gleiteten mit der Fähre über den schmalsten Fjord, fuhren über dem längsten Autotunnel der Welt hinweg, sahen den den tiefsten Fjord von oben, befuhren die höchste Passtraße Skandinaviens, bestaunten die älteste, die best erhaltenste und die größte Stabkirche Norwegens, erlebten den größten Gletscher Kontinentaleuropas, liefen auf eben dessen längster Gletscherzunge und sahen aus der Ferne den höchsten Berg Norwegens. Irgendwie muss man die Touristen ja locken…
Nun, wiederum drei Tage nach meiner Heimkehr, einem verlorenen Gepäckstück, einer nervenaufreibenden Zugfahrt, meiner ersten Alpinklettertour und der spontanen Besteigung des höchsten Gipfels im Allgäu, habe ich den ersten Tag zum Durchatmen. Nun ja, halb durchatmen zumindest. Die Umzugskisten wollten noch ausgepackt werden, der Kühlschrank bestückt und die Mitbewohner kennengelernt werden. Naja, ein paar Routen am Kletterturm warteten natürlich auch noch. Aber dennoch, es waren gute sechs Wochen. Sie waren anstrengend, weniger physisch denn eher psychisch, ich fühlte mich besonders die ersten Tage ausgelaugt und überhaupt nicht mehr redselig. Viel mehr genieße ich es mal nicht zu reden, keine Tips zu erklären und Entscheidungen treffen zu müssen. Aber es waren auch in jeder Hinsicht lehrreiche Wochen: Ich lernte viel über Menschen, über Pärchen, über Reiseveranstalter, über Gästeerwartungen und natürlich nicht zuletzt über Pilze, Beeren und über die Weltanschauung eines Berliners.
Nun freue ich mich, wieder die heimische Bergluft schnuppern zu können, die Finger an bunten Griffen und vor allem Felsen zu zerstören, meine Füße in enge Kletterschuhe zu zwängen, schwitzend und schnaufend auf Gipfel zu steigen… Aber ich freue mich ebenso auf die lieben Freunde hier in Kempten (und am Bodensee!), die auch während meiner Abwesenheit mich nicht vergaßen und mich so herzlich und liebevoll daheim willkommen haben. Auf diese Weise ist beim Reisen tatsächlich das Heimkommen das Schönste. Danke also an EUCH.
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[…] haben diese Bällchen während eines verregneten Morgens in Schweden gemacht – allerdings hatten wir da auch sehr viel Öl, Back- und Eipulver […]
[…] auch passiert. Weil wir dann schon unterwegs waren, blieb nichts anderes übrig, als die Schuhe mit Draht und Panzertape notdürftig zu flicken. Wir hatten noch drei Tage Trekking vor uns, die Schuhe hielten natürlich noch ungefähr eine […]
[…] kann nicht nur an dem tasmanischen/neuseelädischen Milchpulver gelegen haben, denn während meiner Touren in Schweden schmeckte es mir auch immer sehr gut. Das Müsli von Travellunch kommt auch gleich in Kombination […]