Das Wetter war seit Tagen herrlichst! Die Sonne schien, die Temperaturen waren frühlingshaft und seit einiger Zeit zwitscherten die ersten Vögel. Für Sportler/Arbeitnehmer wie Hanna und mich sind solche Tage aber eher eine Tortour, denn uns blieb bis Freitag nichts anderes übrig, als uns aus dem Büro weg – und rein in die Berge zu träumen. Samstag musste einfach was gehen, auch wenn es bedeuten würde, schon wieder früh aufzustehen. Die ganze Woche fieberten wir dem Wochenende entgegen, schmiedeten Pläne und verwarfen sie wieder. Die Lawinengefahr sah einfach nicht gut aus für unsere Vorhaben. Der Schneck, mit 1400hm Aufstieg, einigen sehr steilen Abfahrten und Kletterei im zweiten Schwierigkeitsgrad momentan einfach zu gefährlich, wurden mit Wehmut von der Liste gestrichen. Ebenso das Gaißhorn und am Ende sogar der Bschießer, der zwar eine weit geringere Herausforderung darstelle, aber von der Exposition eben ungünstig war. Die Liste schrumpfte und am Ende einigten wir uns aus Rationalität (pfui!) auf das Rindalphorn. Für meine neue Bindung musste ich mir noch Dynafit-Schuhe ausleihen und weil das scheinbar im ganzen Allgäu nur in Steibis/Oberstaufen möglich ist, lag die Entscheidung nahe.
Wir rechneten mit etwas Entspanntem. Ein „Talhatscher“ von 8km Länge und 1000hm Aufstieg wurde er im Führer genannt, allerdings mit einer lohnenden Abfahrt. Als wir aber am Parkplatz ankamen, zweifelten wir beide an dieser Beschreibung. Ein langer Weg durchs Tal musste ohne Frage bewältigt werden, allerdings könnte die Abfahrt bei quasi kaum Schnee eher wenig lohnenswert werden. Genau genommen: Gar nicht möglich. Auch der Weg, dem wir eigentlich für einige Kilometer folgen müssten, kam uns ungünstig vor. Er war schon völlig von Schnee befreit und am Rand sah es nach wenig Ausweichmöglichkeit aus. Um nicht auf halber Strecke einsehen zu müssen, dass es nichts bringt, wählten wir die sichere Variante und stiegen durch das Skigebiet auf. Ich mag sowas nicht, Hanna auch nicht – wenn wir schon in einem Skigebiet unterwegs sind, können wir auch gleich den Lift nehmen. Das Naturfeeling ist so oder so nicht da. Aber wir wollten uns auspowern und es war eben die sicherste Variante. Auf den ersten Kilometern trödelten wir etwas – der Schnee war ohnehin so knüppelhart, dass er erst etwas aufgehen musste um eine schöne Abfahrt zu ermöglichen.
Wir reihten uns in die Schlange der Pistentourengeher ein, wurden beguckt und angesprochen – zwei junge Ladies allein unterwegs, dann auch noch mit so breiten Latten an den Füßen – so etwas scheint im Allgäu noch nicht sehr geläufig zu sein. Am Grat angekommen, sahen wir, was wir ohnehin schon befürchtet hatten. Weite, schneefreie Flächen. Wir nutzen die Grasflächen für eine kleine Rast.
Vorbei an der Gipfelstation der Hochgratbahn (übrigens auch aus dem Hause Alpstein) wo die Leute scheinbar in Scharen zum Sonneanbeten angereist waren, ging es durch ordentlich verfahrenes Gebiet bergauf. Die meisten Tourengeher laufen bis zur Bergstation auf planierten Pisten und nur noch die letzten paar Höhenmeter dann im Gelände. Wenn allerdings täglich 40 Tourengeher diesen Weg wählen, bleibt von „Gelände“ wenig übrig. Auf dem Hochgrat blieben wir nur wenige Sekunden – die zahlreichen Menschen schreckten uns ab, außerdem war es für uns nur ein kleiner Zwischengipfel. Wir prüften kurz die Abfahrt inmitten der eindrucksvollen Lawinenabgänge, fellten ab und genossen die ersten Schwünge auf einem unverfahrenen kleinen Bergrücken.
Der Spaß war viel zu schnell vorbei. Wir bauten wieder um und machten uns auf zu unserem eigentlichen Gipfel, dem Rindalphorn. Die nächsten 300 Höhenmeter führten auf angenehmen Firn durch Grasfelder hindurch. Eine halbe Stunde später waren wir oben – und doch nicht oben. Wir standen erst auf einem Vorgipfel! Vom Laufen her wäre es kein Problem gewesen, auch diese letzten Meter noch zu bewältigen. Die Abfahrt bereitete uns da viel größere Sorgen. Es lag kaum Schnee in den nordseitigen Rinnen, noch dazu sah die Strecke zurück zum Parkplatz tatsächlich abschreckend lang aus. In diesem Fall waren die freien – südlichen – Hänge die wir gerade hochgestiegen waren, noch viel verlockender.
Wir beschlossen, das Rindalphorn Rindalphorn sein zu lassen und Flexibilität in unserer Planung zu beweisen. Mit meiner neuen Ortovox-Lawinenschaufel, die mir die Bergfreunde vermacht haben, buddelte ich innerhalb weniger Minuten einen luxuriösen Windschutz, in dem wir eine entspannte Rast hatten. Als mein Vater die Schaufel das erste Mal sah, meinte er, es wäre mehr eine Garten- als eine Lawinenschaufel. Da ist schon was dran, sie hat einen auffallend langen Stiel und ist sehr stabil. Aber das – in Kombination mit dem großen D-Griff und dem Grip an den Haltepunkten- ermöglicht es erst, wirklich lange und „angenehm“ zu buddeln. Im Ernstfall kommt es schließlich eben gerade darauf an – da muss man die Zähne zusammenbeissen und die knapp 800g eben zusätzlich mitschleppen.
Hanna überkam plötzlich das Verantwortungsbewusstsein und sammelte noch fleißig neues Material für ihren Sponsor.
Danach machten wir uns an die zweite Abfahrt. Wir surften über den Firn und zogen zwei schöne Lines in den Hang.
Inzwischen ging uns das ständige An- und Abfellen doch etwas auf den Senkel. Wir durchliefen an diesem Tag nun das fünfte Mal dieses Prozedere und machten uns fertig zu dem letzten Aufstieg. Auf uns warteten nochmals 300 Höhenmeter und nach den bereits gelaufenen 1300hm spürten wir die Meter doch langsam in den Beinen.
Als wir etwas oberhalb der Hochgratbahn ankamen, wählten wir sogar freiwillig die Piste. Die Kraft für das aufwändige Suchen nach unverfahrenen Hängen inmitten eines Skigebiets war nicht mehr da und wir zogen auf den leeren Pisten unsere letzten Schwünge.
Aus der vermeintlich „entspannten“ Tour wurde letztendlich doch noch ein waschechter Kraftakt. Eigentlich genau das, was wir ursprünglich mit Schneck oder Gaißhorn geplant hatten! Es war ein perfekter Tag – auch weil es meine erste Tour war, bei der ich mich bei der Auswahl -besonders im Bezug auf Lawinengefahr- mitverantwortlich fühlte, was der ganzen Sache noch zusätzlich eine spannende Note gab.
Es ist toll, auch mal nicht mit Männern loszuziehen. Die Tour läuft anders ab, die Atmosphäre ist eine völlig andere. Man unterhält sich auf Augenhöhe und über ganz andere Themen. Ich bin für vieles dankbar – die Sache mit den Bergfreunden, die „Sache“ im Sommer, die wegen ätzenden Finanzierungsschwierigkeiten immer noch in der Schwebe ist, der gute Einstieg beim neuen Arbeitgeber. Aber die letzten Wochen bin ich vor allem auch dafür dankbar, dass eben dieser Arbeitgeber vor fünf Monaten einen einzigartigen Menschen eingestellt hat, der das Leben auf entspannte Weise angeht. Und der das Faible für die Sportarten draußen teilt. Ein Hoch auf Hanna! …Und Sammy, Susi, Lisa, Jasmin, Jojo… und… und… und… Schön, dass es euch gibt!
8 Comments
Ein Bisschen Lotto zum Frühstück: Lässt Chrome meinen Kommentar zu…?Nette Tour, Erika. Coole Bilder! Kommt doch mal ins BeO oder ins Wallis, hier liegt noch etwas mehr Schnee. Kannst ja mal ein kurzes Feedback zur ONYX geben. Hat sie echte Vorteile gegenüber der Dynafit?Hier scheint entgegen der Wetterprognose die Sonne. Vielleicht sollte ich das Bike langsam wieder ans Tageslicht gewöhnen, so ein Bissle die Aare entlang?Schönen Sonntag!Grüße aus Thun,Jo 🙂
Cool, klappts jetzt doch mit Chrome?Ich hab noch keine Dynafit getestet. Das Problem an der jetzigen Bindung ist, dass sie komplett am Anschlag eingestellt ist und dadurch (?) die Skistopper blockieren. Mit Fangriemen zu fahren ist mir immer etwas unangenehm, weil ich Angst habe, dass die Ski beim Sturz unkontrolliert irgendwo gegen den Körper schlagen.Die Bindung an sich ist nett. Sie hat gestern beim Aufstieg plötzlich ausgelöst, obwohl ich sie vorne eigentlich auf höchster Stufe blockiert hatte. Das Einsteigen ist auf der einen Seite immer ein Kraftakt, aber das liegt, wie gesagt, daran, dass sie komplett am Anschlag ist und die Schuhe gerade so noch reingepasst haben – sonst hätten wir die Bindung umschrauben lassen müssen. Das wären dann der dritte Satz Löcher in den Skien, ich befürchte, dass das nicht sonderlich gut für die Bretter ist. Das Einsteigen in steilem Gelände ist evtl. auch etwas kompliziert, weil man -während man mit dem Schuh einsteigt- vorne den Hebel gedrückt halten muss. Bei der Dynafit-Bindung stellt man sich ja nur rein und zieht den Hebel hoch. Aber wem sag ich das ;)Du siehst, es sind noch keine neutralen Testbedingungen. Dass kaum noch was vom Ski absteht, die Bindung so leicht ist und man quasi direkt am Ski fixiert ist (nicht einige cm entfernt) ist aber schon sehr cool!
Bitte verifizieren ob die Stopper wegen der Einstellung nicht mehr funktionieren. Kann ja eigentlich nicht sein. Auch wenn man an die Grenze geht: Im Einstellbereich muss alles funktionieren!Das mit den Auslösungen beim Aufstieg hab ich bei der Dynafit auch gelegentlich. Allerdings nur wenn der Hebel vorn nicht in der Arretierungsposition ist. Gestern hab ich den Ski grad im steilen eisigen Bereich verloren und mich ziemlich geärgert. Im Nachhinein ist mir aber klar geworden wie’s passieren konnte: Die Testski sind von der Gewichtsverteilung so, dass die Spitze bei Spitzkehren nicht automatisch nach unten „wippt“. Also musste ich die Verse in Richtung Hintern hochziehen, dass die Schuhspitze vorn an der Bindung aufsetzt und das Tail vom Ski angehoben wird. (Damit es nicht beim Ski-Aufsetzen im Schnee hängen bleibt.) Kommst Du mit? 😉 Dabei hab ich den Arretierungshebel nach unten gedrückt, sodass die Bindung bei der nächsten kleinen Belastung aufgesprungen ist.Ich werde jetzt meine Stulle und die Tafel Schokolade vorn unter’s Fell klemmen, damit die Spitze von selbst runter kommt. 😀
Schön, dass ihr die Tour so verantwortungsvoll ausgewählt habt. Das Rindalphorn ist doch neben dem Hochgrat, oder? Den Bildern nach zu urteilen war es eine lustige Angelegenheit. Außerdem deuten die Bilder ein herrliches Kurvenverhalten an. Das bist doch Du, oder Deine Freundin? Bald wird der Schnee fürs Allgäu zu wenig. Dann ab in die Schweiz.
Ja, das Rindalphorn ist der nächste markante Gipfel neben dem Hochgrat – in östlicher Richtung. Es war tatsächlich eine lustige Tour! Schade, dass man bald wieder so weit für Skitouren fahren muss….
Kompliment für euch 2 sportlichen Mädels auf 1600 Höhenmetern…puh! Als du 1 1/2 warst, haben wir dich auf die Berge hochgezogen am Schlitten mit 2 Ausleger-Skiern an beiden Seiten. Die Abfahrt mit dem gegabelten Ast als Führung sah in Papas Händen aus wie ein Hirschgeweih, wenn er mit dir vom Gipfel runterwedelte…Ich immer hinterher…Deine Bilder sind so cool, daß man den Firn richtig „hören“! kann. Mal sehn, was uns auf den Fideriser Heubergen Mitte März erwartet…Soll viel Schnee haben. Und der Frühlingsbeginn liegt in unsrer Woche. Und die Sommerzeitumstellung…Viel Freude weiterhin, und die „Sache“ klärt sich schon noch!!!
Diese Brille! Fast so schön wie meine Ameisenbrille….
drahreg
[…] einigermaßen gut, was einerseits daran liegt, dass ich letztes Jahr die Möglichkeit bekam, breite Freeride-Ski auszuprobieren und andererseits daran, dass sich Ende 2012 einige Türen plötzlich öffneten, die ich mich nicht […]