Einmal drumrum!? (Großer Daumen Nordwest-Grat)

September 2, 2019
Eclipse Hooded Funktionspulli

Die Gedanken einer Frau sind bekanntlich unergründlich. Kritisch wird es, wenn sie selbst über die Wirren der Denke schmunzeln muss. Ein Versuch einer Erklärung. (Großer Daumen Nordwest-Grat, August 2019)

Großer Daumen Nordwestgrat. Klingt cool, immerhin direkt vor der Haustüre. Leider trifft »direkt« nur die Anfahrt zum Parkplatz (20 Minuten), weniger den eigentlichen Zustieg (3 Stunden). Der ist nämlich so dermaßen indirekt, dass wir uns seit Monaten, nein, Jahren? davor drücken. Man muss nämlich quasi um einen Berg drumrumlaufen, bevor man dann überhaupt erstmal den Zustieg zum eigentlichen Grat beginnt.
Noch dazu munkelt man dieses Jahr von einer Bremsen-Plage.
Und der lange Rückweg erst!

Milchmädchen

Der Daumen Nord West GratWenn man aber… ja wenn man aber anstatt um den einen Berg drumrum zu laufen, einfach über ihn drüber steigt? Dann spart man sich doch bestimmt Strecke. Und wenn nicht, dann ist es zumindest interessanter! Und ja, äh, nein, also, die 400 Höhenmeter im Abstieg, die man im Anschluss dann wieder zusätzlich aufsteigen muss, die… äh, sind bestimmt viel besser als einmal im schattigen Tal auf oller Forststraße dahin zu schreiten, richtig?

Der Kenner wird inzwischen einigermaßen entnervt mal wieder in den grauen Bart raunen, zur Mahnung ansetzen, verstummen und kopfschüttelnd davontappeln. Im Grunde spart man sich nämlich genau 100 Meter in der Distanz, erkauft sie sich aber mit 400 Höhenmetern zusätzlichem Auf- und Abstieg dazu.

Routinemann

Der Mann hingegen ist recht emotionslos bei allem, was ein »Mehr« an Höhen- oder Kilometern angeht. Nach meinem euphorisch vorgetragenen Plan hat er sich also höchst wahrscheinlich seinen Teil gedacht, lieb gelächelt und »Klingt gut, so machen wir’s!« gegrinst.

Pinkspitze

So hatschten wir eines mondbeschienenen Morgens zu einsamer Stunde los, stiegen ein paar Stunden im Dunkeln durch die ansonsten bestimmt sehr schöne Landschaft und bekamen als Gipfelgeschenk einen Sonnenaufgang, bei dem man den Gipfel (Rotspitze) eigentlich in Pinkspitze umtaufen müsste.

Sogar der Mann meinte, dass er solche Farben noch selten gesehen habe, womit die Rotspitze  schnurstraks in eine Riege mit Patagonien, Alaska und Himalaya gestiegen war. Chapeau!

Ab- um Aufzusteigen

Rotspitze mit Morgenrot beim Sonnenaufgang

Wir guckten kurz, staunten nicht schlecht und machten uns dann an den Abstieg. Nach meiner groben Rechnung am Vortag waren das »nur paar hundert Höhenmeter«, aber wenn man Absteigen inzwischen einfach so gar nicht mehr gewöhnt ist, dann fühlen sich auch diese recht anstrengend an.

Erfreulicherweise ging es danach dann auch direkt wieder hoch. Das können wir besser.

Allerdings in erstaunlichem Lärm, denn in das laute Bachrauschen mischten sich noch dutzende Kuhglocken. Die zugehörigen Tiere guckten mittelmäßig erstaunt, dass um diese Uhrzeit schon Leute vom Berg kamen und schnabulierten weiter.

 

Am Nordwest-Grat

Auch wir schnabulierten kurz, durchaus mit kritischem Blick. Also ich zumindest. Ist ja nicht so, dass ich meinen Respekt vor seilfreiem Klettern inzwischen in irgendeiner Weise besser in den Griff bekommen hätte.

Aber andererseits hat man bisher wenig ganz Schlimmes über den Grat gehört (zugegeben, auch nichts wirklich Euphorisches) und frau weiß es ja auch nur, wenn frau es selbst probiert.

Also Müsliriegel rein, Wanderstöcke weg und los ging’s.

 

Diese Ausrüstung war mit dabei:

Allgäu pur

Allzu viel Zeit zum Wachwerden blieb nicht so recht, es wurde unvermittelt steil. Grasig. Ausgesetzt. Wobei ich das mit dem »ausgesetzt« nicht so direkt beurteilen kann, weil ich bei sowas grundsätzlich nicht mehr runterschaue, aber die Fotos sehen danach aus.

Die erste Kletterstelle war dann schon mal irgendwie sportlich, aber das viele Gehgelände dazwischen beruhigte die Nerven. Hauptsache nur auf die nächsten 20x20cm gucken. Ach was sind die schön!

Robbogunde

Zumindest so lange, bis das 20×20 Suchfeld nur noch senkrechte Wand zeigt. »Naaa, zweier!« dachte ich noch entspannt. »Wenns so steil ist, gibt’s bestimmt Henkel«.
Suchen.
»Okey, Griffe«.
Weitersuchen.
»Leisten!?«
Entnervt:
»IRGENDWAS?!«.

Mit einem beherzten Fuß-zur-Hand-In-Die-Kante-Beiss-Mantle stand ich dann auch irgendwann oben. In solchen Situation wird mir meine Vergangenheit als Robbe bewusst. Vielleicht auch Koala?

Nun, jedenfalls wurde es danach nicht mehr schwerer. Das lag aber eher daran, dass der Mann voraus pirschte, der sich nämlich neben »Mehr Kilometer« auch nichts aus »Topo vorher anschauen« macht. Und so spazierte er einfach der Nase, aka dem leichtesten Weg nach. Also nach rechts in die Westflanke.

 

Hühnchen!

Der routinierte NW-Grat-Begeher wird wissen: Das ist die Chickenvariante. Links rum, irgendwie so halb direkt zum Kreuz wäre die III-Variante, aber gut, am Ende »gilt alles, was zum Gipfel führt!«, wie der befreundete (Fels)Bruchprofi später absolutierte.

Immerhin kamen wir so am Routenbuch vorbei, ganz verkehrt war’s also wohl nicht. Danach brauchte es noch ein paar Schritte und schon standen wir am Gipfelkreuz. Wohlgemerkt, am erstaunlich großen Gipfelkreuz, vom Winter kennen wir das Ding als ungefähr brusthohes Stummelchen. Immerhin guckt einem der Jesus im Sommer dann nicht ständig auf die, äh, Knie.

 

 

Die Tour ist gemeinsam mit vielen ähnlichen Touren im Führer »Anspruchsvolle Bergtouren« (Affiliate Link) von Kristian Rath beschrieben. Das Buch kann man sich getrost gönnen, es gibt dort einige Ideen, die noch kaum im Internetz beschrieben sind.

 

 

 

Fazit: Großer Daumen Nordwest-Grat

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Ich teile die mittelmäßige Euphorie meiner beider lokalen Quellen. Nett, landschaftlich schon auch schön, besonders wahrscheinlich im Sonnenuntergang, aber irgendwie ist in meiner Wahrnehmung der Fels im großen Teil eher bescheiden oder an den entscheidenden Stellen erstaunlich griffarm – zumindest für Zwerge. Die meiste Zeit krabbelt man aber ohnehin in Geröll oder steilem Gras.

Die meisten Kletterstellen sind nicht unmittelbar ausgesetzt, aber doch auch nicht ganz trivial. Für jemand mit Mut, etwas Routine und Motivation aber gut schaffbar. Insgesamt fand ich aber den benachbarten Pfannenhölzer spannender, das mag aber an der Tageslaune gelegen haben. Der Gipfel ist es auf jeden Fall wert, besucht zu werden und allzu überlaufen ist der NW-Grat auch nicht. Womöglich wegen des Drumrum-Zustiegs? 😉

 

Alle Kletterbilder ©Michi D.

 

 

 

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