[Eisklettern Renkfälle: Eisschlauch, irgendwann im Februar]
Geduldig steht er unten, schwingt seine Arme, ruft sanft aufmunternde Worte zu. Ich stehe einige Meter über ihm und hole mir schnaufend die Retourkutsche ab, die man eben so bekommt, wenn man nach reinen Boulder-Monaten unaufgewärmt ins steile Eis rumpelt.
Den Vorstieg der ersten Seillänge hatte ich mir trotzdem schon daheim gesichert, denn gemäß professioneller Gunde-Rechnung hat man da nicht nur noch fitte(re) Arme, sondern vor allem zwei Eisschrauben mehr. Mit dem kleinen Stubby, der ganz kurzen Schraube für sehr dünnes Eis, ergibt das für 60 Meter luxuriöse zehn Schrauben.
Der Crack wird lächelnd den Finger heben und weise in seinen Bart murmeln: »Je mehr Schrauben, desto anstrengender!«. Ja schoooon… Aber!
Schraubenkonsum
Da an diesem herrlichen Donnerstag weit und breit keine Spur von irgendwelchen Cracks war und wir seelenruhig das gesamte Tal für uns allein hatten, pustete sich die Gunde fröhlich motiviert diesen gefrorenen Wasserfall nach oben, verbrauchte höchst professionell sämtliche Schrauben und sicherte recht breit grinsend den flinken Mann hinterher.
Flink zumindest für jeweils ein paar Meter, denn so viele Schrauben muss er mit seinen Homies garantiert nie einsammeln. Für mich war’s das erstes Mal im Eis dieses Jahr und sicher die steilste Saisoneröffnung, die ich bisher hatte. Da hatten wir die letzten Jahre irgendwie gemäßigtere Einstiege, aber gut, da haben wir die Saison auch nicht an ihrem Ende eingeläutet.
Streck Dich! Mehr. Noch mehr!
Der Nachstieg der nächsten Seillänge war dann wie immer das Streck-Dich-Seminar, denn wer nicht jeden »Hook« (die Löcher für die Eisgeräte) nochmal selbst hauen will, hängt sich in die alten des Vorsteigers ein.
Blöd nur, wenn der nicht nur eine bessere Technik, sondern noch dazu eine größere Spannweite hat. A guads dräining fürs hohe Hindappen.
Treffen mit alten Freunden
Nach einer steilen, bauchtiefen Schnorcheleinheit, klappte der zweite Vorstieg dann schon mit einem nahezu akzeptablen Schraubenverbrauch. Stattdessen kam mein alter Freund, der Seilzug, auf den letzten Metern vorbei.
Während ich also mal wieder zerrend durch die letzten Meter Schnee wühlte, tauchte ein Gedanke im Kopf auf: Spüren kleine Menschen eigentlich Seilzug nicht viel, viel mehr?
Damals…
Der Schweiß floss beim Einlauf in meine kleine Standplatzhöhle. Warm war es. Zumindest mir, das Eis hatte das scheinbar noch nicht mitbekommen, so spröde, wie es immer wieder fröhlich davonplatzte.
Kein Vergleich zu damals, als ich vor drei Jahren am benachbarten Hauptfall meine ersten Meter im Eis machte und dank des butterweichen Kletteruntergrunds gleich noch den ersten Vorstieg meiner Vertikal-Karriere absolvierte. Was war ich fertig, als wir oben ankamen!
Und wie stolz!
10:1 auf 60 Meter
Während ich noch in Erinnerungen schwelgte, huschte er die letzte Seillänge hoch, mal wieder mit dem klassischen Schraubeneinsatz, bei dessen Anblick ich jedes Mal wieder lachen muss: Ein, vielleicht zwei Schrauben auf eine Seillänge. Auch mehr aus Vernunft als aus Bedarf. Der Kontrast zwischen uns könnte nicht größer sein.
Retour
Ein imposanter Blick durch ein von ihm getretenes Loch hinein in den gurgelnden Wasserfall und schon war Ende mit Eis. Stattdessen gab es bissigen Wind und tatsächlich auf den gesamten Fall 0% eingerichtete Standplätze.
Nach dem Schneeketten-Training am Morgen, dem anschließenden Spitzkehrenseminar, dem Jahrespump, der professionellen Tiefschnee-Wühlung und dem Streck-Kurs also jetzt noch eine kleine Übungsrunde im Abalakov-ieren. Einmal alles bitte. Zum Mitnehmen!
Noch mehr Retour
Danach noch ein paar nicht ganz schlechte Schwünge in Tiefschnee, noch einige eher mühsame auf schmaler Forststraße und viele weitere Kilometer einigermaßen flüssig rausgleitend in Richtung Tal schafften wir es gerade noch rechtzeitig an der Wildtierfütterung vorbei. 16.30 Uhr, der Förster stand schon bereit und reckte den Zeigefinger: »Pünktlich, pünktlich!«.
Sooo gut!
Da ist sie also, die Motivation zum Eisklettern. Drei Monate zu spät, pünktlich zum Frühling. Macht aber eigentlich nichts, der nächste Winter kommt bestimmt. Schön war’s nämlich trotzdem arg!
Diese Ausrüstung zum Eisklettern war mit dabei:
Facts: Eisklettern Renkfälle Eisschlauch
Zustieg mit Ski ca. 1.5h inkl Spurarbeit. Zustieg ohne Schneeschuhe oder Ski spätestens auf dem letzten Drittel bestimmt sehr übel. Talweg teilweise von Lawinenstrichen bedroht, Zustiegsfinale zum Eisschlauch recht steil. Lawinengefahr beachten.
Bedingungen: Die gesamten Renkfälle standen Mitte Februar 2019 sehr gut da. Trotz warmer Temperaturen im Tal taute nichts.
Fall auf vier SL geklettert, teilweise ein paar Meter simultan. Standplätze und Abseilstände alle selbst einzurichten, erstaunlicherweise fanden wir keinerlei Spuren früherer Begehungen. Evtl. wird die Tour nicht so oft geklettert? Schön und abwechslungsreich ist sie jedenfalls!
1 Comment
Wow das sind mal wieder tolle Bilder von einer tollen Tour! Diese Eispanzer sehen echt mächtig aus!