Die Backen tun weh. Die Bauchmuskeln auch. Die anderen gucken schon, weil an unserem Tisch so gelacht wird. Und „meine“ Jungs machen überhaupt keine Anstalten, heute noch damit aufzuhören, Sprüche zu klopfen. Seit sechs Tagen geht das so. Wer braucht bei so einem Team schon gutes Wetter!?
Das ist wieder so ullitypisch. Da kriegt man angeboten, eine Wunschlisten-Tour mitzugehen und anstatt zu zögern, weil man vier der fünf Jungs nicht kennt, kommt nur ein: Bin dabei! Was, wenn das alles elendsfitte Typen sind? Steilwandfans? Spaßbefreite Menschen? Sonst wie komisch?
Andererseits hat es bisher eigentlich noch immer gepasst, mit dem einen sowieso: Spätestens seit unseren diversen Blogger-Lachtreffen, Steigeisen-mitten-in-der-Wand-einstell-Aktion oder unser siebenstündigen Abseil-Irrfahrt ist klar, dass es mit dem Casi von Hochtourist.at eh immer gut wird. Also, Kopf aus, Ski ins Auto, ab nach Vent.
Get together
Nach gut einem Jahr Abstinenz war’s mitm Casi auf Anhieb wie früher. Und auch dieser Klaus ist mir direkt schon im Auto sympathisch. „Geil, Haribo! Ist da noch was drin?!“ und weg waren sie. Genau mein Niveau! In Obergurgl mussten wir dann auch gleich als Dank für einen kostenlosen Parkplatz die Tour erstmal mit einem Radler beginnen, bevor es bei herrlichem Sonnenschein durchs mittelmäßig malerische Skigebiet zur hübschen, voll belegten Langtalereckhütte ging. Schweinsbraten, weitere Radler, erste Bewährungsprobe für die Lachmuskeln. Das fängt ja schon mal gut an!
Schalfkogel
Nächster Morgen. Blauer Himmel. Große Vorfreude. Die erste Abfahrt mit den nagelneuen, spontan bereitgestellten Ski von Völkl wartet. Pickelharter Untergrund, steil. Ulligunde so gar nicht im Element. Oder liegt’s an den Ski!?
Durch die schmale Klamm verläuft der Wiederaufstieg in Richtung Sonne, die steile Querungen über hohen Felsen sah von unten schlimmer aus, als es letztendlich war. Trotzdem gab es innerlich ein Hoch auf Harscheisen. Und auf Casis Einstellung, der lieber zu früh als zu spät Harsch- und Steigeisen anzieht. Bei Männern ja nicht immer eine ganz so geläufige Eigenschaft. Schublade ahoi, ich weiß, ich weiß… 😉
Links, rechts, links
Die anschließende Spitzkehrenparty saugte mir direkt mal die gesamte Kraft aus den Muskeln. Vertrag ich die Höhe echt so schlecht?! Oder gehen wir so schnell!? Ja gut, wir gingen schnell. Selbst die Jungs schnauften. Hechelnd ging’s über den ausgesetzten Grat bis zum atemberaubend schönen Gipfel. Italien unterm Wolkenmeer, die Hintere Schwärze dem Finsteraarhorn in nichts nachstehend. Was. Für. Ein. Berg. Was für eine Landschaft! Ich könnte ja schon wieder vor Freude hüpfen. Vor lauter Staunen verging selbst den Jungs für einen Moment das Plappern. Für einen kurzen, sehr kurzen Moment zumindest.
Der Abstieg über den Klettersteig ging problemlos, die steile Stapferei durch Schnee hätte mir vor einiger Zeit wohl doch auch noch was ausgemacht. Cool! Und dann die Abfahrt: Firnoporno! Wie geil sind denn bitte diese Ski!? Jauchzend ging’s durch traumhaften Firn. „Du fährst definitiv schon besser als letztes Jahr!“. Stolzes Grinsen, ultrafröhliche Gunde. Ja wenn das der Meister sagt, muss es wohl stimmen! Sooo cool!
High-Five: Martin Busch Hütte
Irgendwie schafften wir es tatsächlich ohne Abschnallen bis unterhalb der Martin Busch Hütte. Allzu lang dürften die Schneeflecken wohl aber nicht mehr zusammenhängen. Nochmal ein paar hundert Höhenmeter stoischer Gegenanstieg, das Abklatschen fiel dem Radler in unseren Pfoten zum Opfer.
Suppe, Kaiserschmarrn, noch ein klein wenig mehr Hopfengetränk.
Ob mein Geld für die sechs Tage so überhaupt reichen wird?!
Einige lustige Bekanntschaften mit Steilwandtypen, quirligen Managern und rundum sympatischen Venter-Runde-Aspiranten aus Rosenheim (und Co.) versüßten den Abend, die Lachmuskeln bekamen noch ihr tägliches Training ab, bevor es zu einer einigermaßen menschlichen Uhrzeit in die Kojen ging. Vierer-Zimmer mit eigenem Waschbecken, selbst WLAN gäbe es, Dusche sowieso. Verzichtreiche Bergwelt? Hier wohl eher nicht mehr.
Der verfluchte zweite Tag
Der zweite Tag ist bei mir erfahrungsgemäß generell der schlimmste. Wenig Motivation, keine Kraft. Heute war aber alles anders, Klaus fragte gar entsetzt, ob wir gestern auch so schnell losgelaufen waren. Tempo runter, wir hatten ja Zeit. Und das Wetter spielte wohl eh nicht mit. Kurz vor dem Skidepot schlurfen wir im Nebel umher, das GPS wies den Weg. Wie viele Jahre ist es her, dass ich hier oben stand? Es war eine meiner allerersten Hochtouren. Wie viel Respekt ich damals hatte… Und wie viel sich seitdem getan hat! Es ist schön zu sehen.
Das wird schon noch!
Ein paar Stunden, eine hübsche Abfahrt und ein etwas weniger hübscher Aufstieg später haute mich der Wind am Hauslabjoch unterhalb der Fineilspitze direkt mal um. Hallo?! Wir sparten uns den Grat zur Fineilspitze und fuhren direkt in Richtung Bella Vista-Hütte ab.
Diese Ausrüstung war mit dabei:
Eine spannende Route inklusive überraschend steiler Querung. Querung? Abfahrt! „Ich glaub wir müssen doch da runter“ meinte der Casi noch, zögerte keinen Moment und setzte den ersten Schwung. Oida. Da runter? Was sind das, 45 Grad? Ich rutsche vorsichtig, traue mich nicht zu schwingen. Meister Casi wartete geduldig in der Hälfte des Hanges, redet gut zu. „Komm, mach einen Schwung! Oberkörper in Abfahrtsrichtung, Stockeinsatz, Fersen hoch!“. Oberkörper… Stock… Fersen!? Erste Kurve geklappt, vor lauter Freude im Stand fast umgekippt. Gleich noch eine Kurve. Noch eine! „Das wird schon noch!“ ruft der Meister beim lockeren Vorbeiwedeln zu. Deal!
La bella vista?
Per Gegenanstieg erreichten wir die Bella Vista und damit die restlichen drei Jungs in unserem Bunde. Gemeinsam mit der Truppe von gestern und ein paar spendierten Weinflaschen ging auch dieser Abend recht akzeptabel rum. Nur das mit der Wettervorhersage machte uns zu schaffen, es sah nicht wirklich gut aus. Und das, wo morgen das erste Highlight der Tour anstehen würde. Die Weißkugel! Einer der Berge, der schon so lang auf der Wunschliste stand! Ob wir vielleicht einfach Glück haben würden?
Glück: 0, Stimmung: 1
Kurz gesagt: Nein, hatten wir nicht, obwohl es zwischenzeitlich so aussah. Die letzten fünfhundert Höhenmeter steckten in Wolken, zweihundert unterm Gipfel kapitulierten wir im Nebel. Umswägg-Aktion im steilen Gelände, blinde Abfahrt per GPS. Mal wieder. Die unglaublich lange Strecke bis zum Hochjoch-Hospitz ging überraschend gut, wenn wohl auch nicht mehr allzu lang. Ein Königreich für ordentlich gewachste Ski!
An der Weggabelung trennten sich unsere Wege schon wieder: Die drei Jungs aus unserem Bunde stiefelten gemeinsam mit der netten Rosenheim-Fraktion zurück nach Vent, während Casi, Klausi und Ulligundi noch ein paar Höhenmeter auf Gras genossen. Dank der sensationell sympatischen Bewirtung wurde auch dieser Abend wieder wunderbar, die Bäuche spannten ähnlich wie die Lachmuskeln. Gehen den beiden eigentlich nie die Sprüche aus!?
Tag…fünf!?
Und dann kam auch schon Tag fünf. Fünf!? Wahnsinn, sind wir schon so lang unterwegs? Die Zeit verschwamm, wir mussten uns konzentrieren, um all die Erlebnisse noch richtig einzuordnen. Langsam mischte sich auch Wehmut in die Tour, denn morgen stand bereits der letzte Tag an. Wie konnte die Zeit so schnell vergehen? Und wie wird es sein, wieder in einem eigenen Bett ohne Ohropax zu schlafen? Kein klimpernder Gurt mehr an den Hüften, keine Kamera mehr im Anschlag, kein Nebel im Gesicht?!
Fluchkogel. Mal wieder.
Nach »nur« 1.100 Höhenmeter erreichten wir den Fluchtkogel. Im Nebel, natürlich. Die Abfahrt überraschte wie jeden Tag bisher mit richtig guten Verhältnissen, nach der Hälfte gab es meiner Meinung nach wohl doch ziemlich definitiv Powder! Und auch die Schwünge im Steilen gingen immer besser. „Halte die Hände so, dass du sie immer siehst…. Erikaaa, Du hast auch rechts nen Stock! …Schon besser! Viel besser!“. Grinsegunde, noch nie war ich so motiviert zum Skifahren! Das mit den Durchquerungen ist definitiv mein Ding. Mehr davon!
Genug davon?
Mehr davon gab es allerdings nicht mehr. Die Wolken rissen kurz nach unserer Ankunft auf der Vernagthütte auf, die Sonne grillte uns höhnisch auf der Terrasse bis zum Abend. Was genau machen wir eigentlich falsch!? Immerhin ging sich ein ausgelassenes Gespräch mit einer richtig lieben Leserin aus, die mir nun final die Zusage aus dem Ärmel leierte, endlich mal einen Foto-Workshop anzubieten. Na gut, na guuut! Die Chance, Bergprominenz Heinz Zak vollzuplappern, ließ ich mir natürlich auch nicht nehmen, auch wenn Quasselgunde ihn womöglich ganz leicht verschreckt hat. Huch 🙂
Abbruch
Die letzte Nacht war wegen der unsicheren Tourenplanung unentspannt. Schnee und dichte Wolken waren angesagt. Was soll der Aufwand, wenn wir nur im Nebel am Gletscher herumhirschen? Der Wecker klingelte ambitioniert früh, der Blick aus dem Fenster zeigte nicht nur gut fünf Zentimeter frischen Schnee, sondern dicken Nebel. Wir verschoben die Entscheidung auf nach dem Frühstück, verquatschten uns mit den großartigen Wirtsleuten und sprachen am Ende aus, was sich jeder von uns gedacht hat: Es hat keinen Wert. Wir steigen ab. Es ist doch verhext.
Wacholder-Fahrt
Zwei Stunden und ein paar denkwürdige Wacholder-Abfahrten später standen wir wieder in Vent. An dem Parkplatz, wo wir uns vor einer Woche getroffen hatten. Damals bei Sonnenschein und T-Shirt-Wetter. Jetzt hingen die Wolken tief, immer wieder schneite es. Wir grinsten dennoch breit. Auch wenn die zwei größten Gipfel nicht geklappt hatten, war es eine sensationelle Zeit. Ein großartiges Team, das perfekt zusammenpasste. Stets was zu Lachen. Eine grandiose Route. Und die Gewissheit, dass man sich von Tag zu Tag mehr an die Höhe und die Anstrengung gewöhnt.
Bis zum nächsten Jahr!
Und das Gute am diesjährigen Wetterpech: So haben wir schon einen Grund, uns spätestens in einem Jahr wieder zu sehen. Casimir, Klausebart, es war mir eine Ehre! Auf ein nächstes Mal!
9 Comments
Danke für diesen spritzigen Bericht. Wäre gerne dabei gewesen…das habe ich gerade wieder festgestellt! Danke!
Das Bild am Gipfel von Euch drei mit dem Fischaugen-Effekt ist ja der Hammer! Love it!
Hey Sabrina!
Jap, das Bild vom Gipfel ist richtig gut geworden! Das kommt davon, wenn man zufällig einen Fotografen um ein Bild bittet 😀 Nächstes Mal musst du dabei sein!! Und hoffentlich sehen wir uns bald mal wieder…
LG!
Erika
Liebe Erika – super schöne Bilder und ein redaktionell perfekter Text. Schön Dich und die zwei Jungs kennengelernt zu haben. Auch wenn ich nur ein Teil der Venter Runde machen durfte, werde ich mir die gesamte Runde aufgrund Deines Berichtes einplanen. Freue mich auf weitere Berichte in Deinem Blog und sende Dir sonnige Grüße aus der Pfalz in das Allgäu – einer der quirligen Manager ? – Kalle
Kalleeeee! Ja mensch, wie cool, dass du Dich meldest! Die Venter Runde solltest Du Dir eindeutig auf die Wunschliste schreiben – aber ohne Taxi 😉 Ich schick Dir (momentan äußerst verschneite) Grüße aus dem Allgäu in die Pfalz!
LG!
Erika
Hi Erika, sehr lässiger Bericht und geniale Fotos…hat Spaß gemacht, der gemeinsame Weißkugelversuch und ihr warts echt eine sehr lustige Truppe.
Bis bald, Ciao und LG aus dem Ländle, Hannes
Moin Hannes!
Merci, merci für die Blumen 🙂 Die Weißkugel werden wir wohl die nächsten Tage mal nochmal probieren – ich bin gespannt, mit was sie uns diesmal abwehrt 😉 Ich freu mich jedenfalls schon tierisch auf den Talhatsch 🙂
Liebe Grüße!
Erika
Hallo Ulligunde,
ich habe gesehen, dass Du den Völkl VTA 98 dabei hattest. Dieser Ski kommt ja nächstes Jahr auf den Markt. Ich bin sicher, dass mein neuer Tourenski ein Völkl VTA wird, allerdings schwanke ich zwischen dem 88er und dem 98er Modell. Fandest Du den Ski im Aufstieg an manchen Stellen zu breit? Bei Querungen? Grundsätzlich finde ich einen 88er Tourenski breit genug, da ich aber einige Kilos mitbringe, hätte ich in der Abfahrt mit mehr Breite wohl mehr Spass.
Danke für Deine Meinung dazu!
Hi Susanne!
Wow, gut erkannt! Ja, das ist der VTA98 von Völkl. Ich bin kein besonders begnadeter Skifahrer und habe bis auf den Rossignol Savory7 und den Baltoro von Dynafit keinen wirklichen Vergleich. Ich bin sicher kein Experte. Ich kann nur so viel sagen, dass ich komplett begeistert war – der Ski ist für meine Verhältnisse sehr leicht und auch in Tragepassagen kein Problem. Von der Breite her hatte ich im Aufstieg oder bei Querungen nie Probleme. Dafür hat er mir in der Abfahrt enorm Freude bereitet, auch bei den gefroren-verfahrenen Schneeverhältnissen, die wir an manchen Passagen hatten. Und im Pulver und Firn sowieso. Ich hatte aber absichtlich nach einem tendenziell eher breiten Ski gesucht, weil ich den Eindruck habe, dass ich lieber breite und etwas kürzere Ski fahre, mit denen ich dann auch im Wald wendig bleibe. Wie gesagt, ich bin kein Profi, aber mir bereitet er äußerst viel Freude =)
Liebe Grüße!
Erika
Vielen Dank für die Antwort, die so ausfällt, wie ich es wollte :-))