Schon Jahre stand dieser Gipfel ganz weit oben auf meiner Wunschliste. Während wir drei Mädels Stunde um Stunde den Gletscher hinauf hatschten, kreisten die Gedanken: »Werden wir es heute tatsächlich schaffen? Und wie wird es sein? Ich werde komplett ausflippen. Aber sowas von! Als Mädelsseilschaft auf die Weißkugel!« Am Ende? Kam natürlich wieder alles anders.
Optimaler könnten die Voraussetzungen nicht sein. Sonne pur, ein Tag unter der Woche, drei von uns vier motivierten Ladies konnten sich freischaufeln und hüpften fröhlich in Vent aus dem Auto. Weißkugel – bei uns allen ein Berg der ganz großen Träume! Vor zwei Wochen hatte es auf der Venter Runde nicht geklappt, womöglich diesmal? Es muss fast, denn nochmal will man sich den elf Kilometer-Hatsch wohl kaum gönnen.
Erstmal einhatschen
Vor den elf warteten erst einmal die sieben Kilometer am Abend zum Einlaufen – in weiser Voraussicht in Turnschuhen. Von Schnee war trotz des neuen Niederschlags keine Spur. Das Hochjoch-Hospitz mit seiner sensationellen Lage kam erst pünktlich zum letzten Aufschwung in den Blick. Hüttenwirt Thomas begrüßte uns zur Feier des Wiedersehens fröhlich direkt mal mit dem Meisterwurz und stellte ihn so schnell auch nicht mehr weg. Vernünftig und fit für die Tour morgen bleiben? Oder die sympathische Truppe zelebrieren? Die Zirbe übernahm am Ende die Entscheidung.
Noch ein bisschen mehr hatschen
Trotzdem standen wir pünktlich um sieben am Skiraum. Mit Ski auf dem Rücken, irgendwie wäre es ja sonst auch keine ulligundsche Tour. Zur Feier der Routine ging es also auch heute zunächst zu Fuß in Richtung Gletscher, nach einer Stunde wagten wir das erste Mal die Ski anzuschnallen. Gemeinsam mit einer weiteren Seilschaft zogen wir die ersten Linien über den Gletscher. Stunde um Stunde verging, die Bindungen klapperten meditativ im immergleichen Takt, um uns herum keine anderen Menschen weit und breit.
Spurend hatschen
Die Jungs waren kurz vor der ersten Steilstufe abgebogen, wir entschieden uns für den direkten Weg und spurten den unberührten Hang hinauf. Kalt wurde es, am Himmel aber war weiterhin keine Wolke zu sehen. Eine Stärkung später wurde die Sache langsam spannender. Steil zum Windkolk, vorbei an der Stelle, an der wir letztes Mal umgedreht waren, kurze Lagebesprechung. Wir hatten Bedenken wegen der Lawinengefahr, der Hang war steil und deutlich eingeblasen. Es hatte immerhin einen Dreier…
Hatschend stapfen!
Gemeinsam mit einer weiteren Seilschaft berieten wir uns und entschieden uns für einen Aufstieg zu Fuß entlang der Felsen. Steil war es, aber gut zu gehen. Zu siebt stapften wir nach oben. Der Wind war eisig und unbarmherzig. Immer wieder bließ er uns fast um. Während ich Lena im Aufstieg fotografierte, bemerkte ich erst den Hintergrund: Zehn, zwanzig schwarze Punkte waren plötzlich da. Menschen. So viele Menschen!? Wo kamen die alle her?!
Im Stau
Mit einem Affenzahn spurte eine Sechser-Seilschaft den Hang hinauf, die nicht vorhandenen Sicherheitsabstände widerlegten unsere Befürchtungen wegen der Lawinengefahr mal wieder eindrücklich. Bis wir drei wieder vereint an der Kuppe standen und den finalen Gipfelgrat begutachteten, waren plötzlich auch alle anderen da. Ein unsympathisches Wettrennen begann, der schmale Grat mit seinen nicht vorhandenen Ausweichmöglichkeiten machte die Stimmung nicht besser.
Angespannt eingespannt
Eingekeilt in verschiedene Seile, ausgekühlt vom eisigen Wind und urplötzlich inmitten einer tiefen Wolkensuppe verflog unsere Gelassenheit. Bonnie und ich stapften noch schnell zum Gipfel, Lena steckte im Stau und verlor die Lust. Der Gipfel wäre zum Greifen nahe gewesen, die Finger aber eingefroren, die Motivation verflogen. Zu viel war los, zu rücksichtslos die Leute. Wir hatten es so weit gemeinsam geschafft und doch standen wir auf den letzten Metern nicht als Team auf diesem Gipfel. Widerwillig kramte ich die Kamera raus, es war einfach nur kalt! Ein Foto, noch eins in Richtung Lena, irgendwie noch halbherzig ins Tal fotografiert… Weg hier, runter!
Abmarsch
Während wir zurück zu den Ski stapften, erinnerte ich mich noch daran, wie ich mir den Gipfelmoment vorgestellt hatte. Entspannt, fröhlich, als souveräne Dreierseilschaft. Am Ende war es ganz anders. Lena hingegen war gelassen, vom Höhenunterschied machte es tatsächlich wirklich nichts mehr aus. Und bis dahin war die Tour einfach sensationell.
Einspurig nach unten
Sensationell im ironischen Sinne wurde auch die Abfahrt. Nach ein paar wenigen herrlichen Schwüngen im frischen Schnee bogen wir auf unsere Aufstiegsspur ein und verließen sie wortwörtlich erst gut acht Kilometer später wieder. Drei Pünktchen auf weiter Flur, nahezu alle anderen Seilschaften waren nach Südtirol abgebogen. Am Ende des Gletschers überließen wir Bonnies Gespür (und Größe 😉 ) die Suche nach der möglichsten Route durch die Schnee-Geröll-Wüste, bis es die letzten Meter im engen Bachbett wieder flink bis zur Brücke rutschte. Oder wahlweise bis direkt in den Bach.
Tief zufrieden
Nach einem kurzen Fluch starteten wir zum wohl anstrengendsten Teil der ganzen Tour: Der letzte Anstieg zur Hütte. Stoisch. Schweigend. Schnaufend. Thomas begrüßte uns fröhlich so, wie wir gestern aufgehört hatten: Meisterwurz ahoi. Dieser Typ! Den Abstieg ins Tal verschoben wir sicherheitshalber auf den nächsten Tag, genossen noch ein wenig die Gastfreundschaft der Hütte, breiteten uns abermals in „unserem“ Lager aus und stiegen am nächsten Morgen mit einer tiefen Zufriedenheit zurück ins Tal. Hätten wir den Tag heute noch nützen sollen? Noch eine Tour dranhängen, »wenn wir schon mal da sind«? Nein, wir waren glücklich. Die Weißkugel war ein langer Traum, wir wollten dieses Gefühl ganz in Ruhe genießen. Es hätte schließlich fast nicht besser sein können.
Diese Ausrüstung war mit dabei:
(Hier gehts zur ganzen Übersicht)
2 Comments
Hey Gundl,
solche Momente voll Egoismus, wie du es am Gipfel erlebt hast, kenne ich auch. Aber der Rest der Tour war ja hingegen perfekt.
Der Berg steht auch noch auf meiner Wunschliste.
Grüßle Joe
Hi Hasi,
das klingt nach dem Klassiker! 🙁 Mhmmmmmm wir haben es an der Weißkugel beide Male auch noch nicht anders erlebt. Nur im Aufstieg war immer Ruhe – jedes Mal über die Ostwand.
Mir kommt allerdings vor, dass man solche Verhältnisse an den Graten der Modegipfel fast schon erwarten muss…leider. Und RÜCKSICHT nimmt keiner mehr. Leider.
Daher kann ich das etwas betrübte Gipfelerlebnis nachvollziehen. Trotzdem schön, dass Du oben warst. Meine Bewunderung für die Hatscherei mit Ski auf den Rücken hast Du jedenfalls.
Liebe Grüße und bis bald, Sabrina