Mal wieder so richtig klassisch bergsteigen. Ganz ohne schweres Klettergeraffel, ganz ohne Angstüberwindung, ganz ohne die Ungewissheit, ob man der Sache gewachsen ist. Stattdessen: Einfach mal wieder bisschen schnaufen, Gletscher gucken, fotografieren. Und natürlich Gipfel sammeln. Auch wenn aus den drei geplanten nur zwei wurden, war es dennoch ein äußerst gelungenes, ganz entspanntes Bergwochenende.
Der erste Wecker klingelte um 5.30, woraufhin eine SMS aus dem Nachbarauto kam: „Draußen ists kalt und neblig. Startmer ne Stunde später?“. Nach einer ziemlich schlafarmen Arbeitswoche kam mir das irgendwie ganz gelegen, obwohl ich natürlich auf malerisches Obheiter am Gletscher gehofft hatte. Aber warum nicht einfach mal ganz gemütlich machen? Letztendlich kamen wir irgendwann nach sieben los und legten nach einer recht entspannten Bikefahrt zur Wiesbadener Hütte gleich nochmal zwei Stunden Nickerchen ein, denn das Wetter war irgendwie immer noch nicht ganz überzeugend. Gegen elf dann aber doch – und wie! Die Sonne schien uns ins Gesicht, als wir uns den Weg zur Dreiländerspitze machten. Eigentlich war Piz Buin und Silvrettahorn geplant, aber beide Gipfel steckten in hartnäckigen Wolken. Unserer hingegen nicht, deshalb verschoben wir die Tour einfach auf morgen.
Hatsch mit tollem Finale
Bei T-shirt-Temperaturen wanderten wir in Richtung Vermuntgletscher, der im Vergleich zum Ochsentalergletscher wahrlich unspektakulär daherkommt. Da wäre man mit Ski schon auch gut aufgehoben! Am Grat der Dreiländerspitze ging es dann aber doch noch zur Sache. Es lag überraschend viel Schnee drin, von Spuren war nichts zu sehen. Meine nagelneue Eiswaffe (danke an die Geburtstagsschenker!!) kam gleich richtig zum Einsatz und nach einigen wirklich tollen Metern am Grat erreichten wir den vorgelagerten Nordgipfel. Hui, das sah exponiert aus. Ich entschied mich, die letzten dreißig Meter zu sichern und weil ich an der Wilden Leck die letzten Meter zum Gipfel vorsteigen durfte, bekam Casi diesmal den Zuschlag. Ein paar Minuten später stand er oben, ein paar weitere ich und wiederum ein paar Minuten später standen wir auch schon wieder am Nordgipfel, denn es zog bereits zu und „gemütlich“ war auch etwas anderes.
Wir stiegen zügig ab, trotteten über den Gletscher und zurück zur Hütte. Wir waren nicht sonderlich lang unterwegs und doch war es eine richtig schöne Tour. Super flowig, nie wirklich anspruchsvoll aber lang genug, um müde zu werden. Und ein bisschen Kraxelfeeling war auch dabei. Alles top! Happygunde mal wieder.
Durch die Suppe
Der Winterraum des Wiesbadener Hütte war überraschend groß (im Vergleich zu dem Winterraum der Martin-Busch-Hütte allemal) – füllte sich über den Abend auch zunehmend. Alles junge, sehr entspannte Leute, die allerdings alle das gleiche Ziel vor Augen hatten: Piz Buin! Ich klingte mich bereits um halb acht aus und schlief wie ein Stein bis 5.30, als der Wecker klingelte. Erst gegen sieben kamen wir los, denn der Nebel war dicht und die Nacht dunkel, weshalb wir auch heute das Frühstück etwas künstlich in die Länge zogen. Glücklicherweise lichtete sich der Nebel immer dann, wenn wir es brauchten und so erreichten wir auf direktem Weg den Ochsentalergletscher – das gelang einigen Seilschaften an diesem Tag nicht und so manche ließen den Gipfel dann gleich bleiben. Durch eine brutale Spaltenzone ging es eine gefühlte Ewigkeit im langwierigen Zickzack zwischen den Spalten hindurch – manch eine Brücke war gerade breit genug für beide Schuhe. Aber es ging und wir kamen doch recht zügig voran.
Climbing, baby!
In der Buin-Scharte hielt uns wenig. Es war kalt, es windete. Einfach ungemütlich. Wir machten uns schnell an den Gipfelaufstieg und holten die zwei Kollegen, die eineinhalb Stunden vor uns gestartet waren, kurz vor den kniffligen Stellen ein. Auch sie hatten nicht unser Glück und hatten sich anfangs arg verlaufen. Gemeinsam kletterten wir durch die „Schlüsselstellen“, die mir – zumindest bei den heutigen Verhältnissen – recht gutmütig vorkamen. Aber vielleicht war ich einfach so begeistert, endlich mal wieder mit Steigeisen unterwegs zu sein, dass mir die Ausgesetztheit nichts ausmachte. Schwer war es jedenfalls nicht.
Sonne!
Die letzten Meter zum Gipfel geschah dann doch noch, was wir uns alle erhofft hatten: Sonne! Wenn auch nur haarscharf, denn wir waren exakt auf Höhe der Wolkendecke, aber immerhin reichte es für ein bisschen blauen Himmel. Wir blieben auch heute nicht lang am Kreuz, kraxelten alles wieder hinunter und hatschten diesmal zu viert am Seil zurück in Richtung Wiesbadener Hütte. Das Silvrettahorn sparten wir uns bei dieser Sicht und verschoben es auf eine Skitour im kommenden Winter.
Und die Moral der Geschicht?
Manchmal darfs auch einfach ganz gemütliches Herumhatschen sein – so bleibt endlich mal wieder Zeit zum Fotografieren und zum Gucken. Und nette Leute trifft man auch noch. Merci Casi fürs Mitkommen, Verpflegen, Seil nehmen und Aufpassen.
Übrigens: Das schicke knallgrüne Seil ist das Twilight Dry von Mammut. Eigentlich ein Halbseil, aber für diesen Zweck war es ziemlich gut. Es ist extrem leicht und so hatten wir beim Rüberklettern die Sicherheit von zwei Strängen. Hier habe ich mir ein paar Gedanken über Seile fürs Alpinklettern gemacht.
8 Comments
Feine Sache! Kann ich voll nachvollziehen, gemütlichere Touren sind ja oft auch ganz fein. Wobei gemütlich bei mir dann eher was anderes ist, als eine Hochtour.
Wir haben’s bisher oft gescheut in Zweierseilschaft loszuziehen, obwohl ein paar Hochtouren dieses Jahr noch ganz fein gewesen wären… 😉
Das neue Seil sieht fetzig aus, ein Eye-Catcher in jedem Fall! Das Alp-traum Stirnband ist echt spitze!
Lg
Hi Dani! Bei mir ist glaube ich inzwischen alles „gemütlich“, was nichts damit zu tun hat, beim Alpinklettern auszutesten, ob man der Sache gewachsen ist – sprich alles, bei dem man sich nicht fürchten muss :). Von dem her ist einfach-nur-Hatschen irgendwie schon gemütlich, obwohl ich da natürlich trotzdem kräftig ins Schnaufen komm.
Das Seil ist tatsächlich ziemlich fancy, allerdings für meinen Geschmack ein bisschen zu dünn. Aber natürlich schön leicht. War ein Geschenk von Mammut 😉
Euch noch einen schönen Herbst! Genießt die Zeit!
LG,
Erika
ulligunde.com
Ui, tolle Bilder und tolle Touren, tolle Gipfel! Da wären wir gerne dabei gewesen….bald wieder! 🙂
LG Brina
Ganz gemütliches Herumhatschen – klingt gut, andere kommen schon beim ansehen der Bilder ins Schwitzen 🙂
Aber ich kann es gut nachvollziehen, wenn man mal ein paarmal richtig am Limit unterwegs ist erscheint einem alles andere auf einmal leicht.
Das Silvrettahorn ist als Skitour eh besser, da hat man wenigstens ein paar schöne und anspruchsvolle Abfahrtsvarianten.
lg Martin
wow
Hi Erika,
habe eben schon bei den Hochtouristen euer spannendes Wochenende aufgesogen und mir jetzt noch deinen Artikel durchgelesen.
Super Geschichte, macht Lust selbst mal wieder was auf dei Beine zu stellen.
LG Gregor
[…] Mehr am Blog: http://ulligunde.com/2015/10/piz_buin/ […]
[…] von Ulligunde.com war bei im Montafon in der Sonnensuppe auf dem Piz Buin und auf der Dreiländerspitze unterwegs. Klassisches Bergsteigen in teils […]