Oft war er schon da, dieser Gedanke, auf Facebook und Co einfach mal zu verzichten. Wie viel Zeit man dort verbringt! Und ob man nicht womöglich ausgeglichener wäre? Aber als Blogger einfach pausieren?! Im Nachhinein kann ich sagen: Es war eine der besten Ideen der letzten Jahre. Mit einem völlig unerwarteten Ergebnis, das intensiver, schöner kaum sein hätte können.
Im Dezember wurde der Gedanke präsenter. Wie immer im Dezember, wo plötzlich die halbe Welt tolle Eisfälle findet, während man selbst gerade vielleicht nicht die Zeit oder nicht den richtigen Riecher hat.
Dann kam der viele Schnee, schnitt nicht nur die Verbindung in die zweite Heimat Südtirol, sondern auch die Tourenmöglichkeiten im Allgäu massiv ein.
Nach ein paar ohnehin Social-Media-losen Tagen deaktivierte ich zwischen den Jahren spontan einfach mal die Benachrichtigungen und begann ganz ungeplant zu verzichten.
Ruhe im Kopf
Während draußen nach und nach die Landschaft im Schnee wortwörtlich versank, widmete ich mich statt Social Media dem Meditieren. Keine Sonne, die das Gemüt nach draußen zerrte. Stattdessen: Ruhe im Kopf. Ruhe in der Landschaft. Nachdenken. Tee trinken.
Ein sagenhaftes Gefühl.
Ich blieb dabei, verbat mir das schlechte Gewissen (»das ist Dein Job!«) für den restlichen Januar. Die Welt wird sich weiterdrehen. Ganz sicher.
Die Welt drehte sich weiter!
Und wie sie sich drehte. Nur eben ohne mich. Es dauerte keine Woche bis sich ganz neue Ausgeglichenheit in den Kopf schlich. Tiefe Zufriedenheit.
Weil kein Posting auf Instagram nötig war, blieb das Smartphone immer öfter zu Hause. Statt »Momente konservieren« plötzlich: »Momente wirklich erleben«. Ich nahm die Touren – und waren sie noch so klein – intensiver wahr, schöpfte noch viel mehr Kraft und Freude aus ihnen.
Plötzlich reich
Ohne den Blick aufs Smartphone und die Stunden in den sozialen Netzwerken hatte ich plötzlich unendlich viel Zeit. So viel Zeit, dass für etwas Raum entstand, das ich seit zwanzig Jahren nicht mehr gefühlt hatte: Langeweile. Ich war plötzlich unheimlich reich an Zeit.
Ich fing an mit Handlettering, Aquarellmalerei, schrieb Briefe, lernte Skaten, widmete mich der Meditation. Führte inspirierende, lange Gespräche. Hörte zu.
Mehr Hingabe
Durch die fehlenden Unterbrechungen durch Facebook und Co. wurde meine Arbeitsweise insgesamt produktiver. Den Aufträgen widmete ich mich mit mehr Ruhe, mehr Hingabe, vollendete sie letztendlich besser, auch weil ich Muße für Korrekturen und weitere Ideen hatte.
Kürzer arbeiten
Ich fing an, mir nur noch drei To-Dos in der Arbeit zu setzen, anstatt wie früher 20, die man niemals schaffen kann. So entstand nach dem Abhaken des dritten Kästchens jeden Tag ein fröhliches Erfolgsgefühl und gleichzeitig etwas, das Selbstständige selten haben: Feierabend.
Ich schaffe gar nicht viel weniger als früher, nur eben in gewaltig kürzerer Zeit. Der restliche Tag gehört mir, meinem Verlobten, meinen Freunden, meinen Hobbies.
Ein Hauch Minimalismus
Von Tag zu Tag wurde Kopf und gleichzeitig die Bude hier leerer. All die kleinen und großen »schwarzen Löcher« in der Wohnung fielen meinem Entrümpelungswahn zum Opfer. Klar, ich hatte halt zu viel Zeit.
Ebay Kleinanzeigen wurde im Handumdrehen eine meiner Lieblings-Apps, die Jungs und Mädels bei Post und Wertstoffhof kannte ich auch langsam ganz gut.
Ordnung innen wie außen
Einige, die mit dem Meditieren begonnen haben, erzählen Ähnliches. Es scheint, als würde man, wenn man Ordnung in sein Inneres bringt, diese auch im Äußeren haben wollen. Dass ich lebende Chaosqueen das noch erlebe.
Verrückt.
Unerwartet
Ich hatte mit nichts gerechnet. Wollte gar keinen speziellen Selbstversuch starten, hatte nur ein wenig die Eiskletterbilder der anderen und meine unterbewussten Vergleiche satt.
Unerwartet und unglaublich schnell schlich sich eine Ausgeglichenheit, eine Zufriedenheit und eine Achtsamkeit für den Moment ein, dass ich nicht umhin kommen werde, irgendetwas an meinem früheren Social Media-Konsum zu ändern.
Ich werde wohl kaum komplett verzichten, denn der Austausch mit Euch, mit meinen Lesern, macht mir eindeutig zu viel Freude. Mein Blick auf die sozialen Netzwerke hat sich nichtsdestotrotz radikal verändert.
Zufrieden.
Es wird sich ein guter Weg zeigen, da bin ich zuversichtlich. Zunächst bin ich dankbar für eine unverhoffte Quintessenz dieses Projekts: Die Zufriedenheit im Alltag, nach der ich so lange gesucht hatte, liegt womöglich viel näher, als ich bisher dachte.
Und du? Hast Du Erfahrung damit, auf Social Media zu verzichten? Oder hältst Du vielleicht nichts von solch »digital detox«? Weshalb? Ich bin gespannt auf Deine Meinungen, Erfahrungen und Inspiration.
14 Comments
Sehr schön zu lesen, liebe Erika. Wie immer 🙂
Ich find’s gut, dass Du es nicht als ‚Reinigung Deiner selbst‘ in Angriff genommen hast, sondern einfach, weil Du Bock drauf hattest bzw keinen Bock auf SocialMedia.
Ich bin kein Fan eines Modewortes wie Digital Detox, ich denke, dass man einfach machen sollte, was einem gut tut. Dass das nicht immer leicht zu erkennen ist, kenne ich selbst nur zu gut.
Wenn mich der ganze Hype in den sozialen Netzwerken nervt und die ganze Welt einen spannenderen und unproblematischeren Alltag zu haben scheint als ich, hab ich gelernt, mein sonst so geliebtes Smartphone einfach wegzulegen. Trotzdem ist es immer wieder eine sehr bewusste Handlung bei mir. Bin gespannt, ob sich das irgenswann weiter reduzieren wird bei mir.
Und wenn dem so sein sollte, dann wird es wohl auch gut sein. Denn es tut mir dann gut.
Liebe Grüße an Deine Ruhe im Kopf!
Corinna
Hi Corinna!
Eine wunderbar gesunde Einstellung hast Du da! Ehrlich zu realisieren, was einem gut tut und was eigentlich nicht, ist meinem Gefühl nach oft tatsächlich nicht so leicht. Und der nächste Schritt – das dann wirklich zu ändern – mindestens genauso schwer. Man steckt einfach in seinem Trott, in dem „darf nicht“ und „kann nicht“. Wenn dann, wie bei Dir, schon mal das Bewusstsein für das Thema da ist, anstatt in seinem mentalen Hamsterrad stecken zu bleiben, ist der wichtigste Schritt glaube ich schon getan.
LG!
Erika
Hallo Erika,
habe nun auch einen Monat ohne Social Media hinter mir. Die Motivation dafür kam einfach so, ich fühlte mich so mental davon beinträchtigt und brauchte einfach Abstand. Für mich persönlich habe ich gemerkt das ich einfach viel glücklicher und offener durch die Welt gehe als vorher. Gerade besonders in der Weihnachtszeit hat sich das besonders angefühlt. Heute wieder kurz in Instagram reingeschaut aber installieren werde ich es in absehbarer Zeit nicht mehr. Snapchat hatte ich davor echt extrem genutzt und habe ich mir heute wieder runtergeladen und bin die ganzen Nachrichten durchgegangen. Was mir vorallem aufgefallen ist wie stumpf und komisch einem die Nachrichten vorkommen. Viele Posten nur Sachen um irgendwas gepostet zu haben oder auch um zu zeigen was sie doch für ein „tolles“ Leben sie haben. Für die Zukunft werde ich das ganze viel stärker limitieren. Mir in der Woche vielleicht nur 1-2 Tage für social Media nehmen. Das Leben da draußen ist viel mehr wenn man auch Mal mit offenen Augen durch die Welt geht. Ich danke dir für die Inspiration und Motivation diesen Monat durchgezogen zu haben.
Liebe Grüße
Eric
Hi Ulligunde,
Danke für den Artikel. Ich will das unbedingt auch machen. Gefühlt verbringe ich echt zu viel Zeit auf Facebook und Instagram.
So lustig, spannend und informativ Social Media sein kann, so sehr lässt man sich dadurch auch frustrieren. Die Social Media Welt suggeriert einfach zu viel Schein. Das ist einfach schade.
Dein Artikel kommt echt zum richtigen Zeitpunkt. Bin top motiviert das jetzt auch endlich durchzuziehen 😊. Ich glaube dass ein kompletter Detox der einzige Weg ist um danach weniger Zeit bzw sinnvoller die Zeit auf Social Media zu verbringen.
LG Joey
Hi Joey,
yeah! INSPIRATION, darum ging es mir mit dem Artikel. Umso mehr freu ich mich, wenn Du Dich inspiriert fühlst. Ich wünsch Dir eine wunderbare Reise in die (teils) analoge Welt! Wenn Du magst, schreib mir gerne mal ne Mail (oder nen Brief 😉 ) danach, wie es Dir erging. Das würde mich wirklich interessieren.
Liebe Grüße!
Erika
PS: „Die Social Media Welt suggeriert einfach zu viel Schein“ – das ist toll formuliert!
Ich hatte vor etwa 3 Jahren einen ziemlich erfolgreichen Instagram Account, den ich aber eines Tages nicht nur ausgeschaltet sondern komplett deaktiviert hatte. Anschliessend ging es mir etwa gleich wie Dir: Unglaublich viel Zeit, viel weniger Stress und Vergleiche, mehr Glücksgefühle und eben das Gefühl „Momente richtig zu erleben“.
Seit ein paar Monaten bin ich auf Social Media wieder mehr aktiv, frage mich dann aber doch immer wieder, ob das so eine gute Idee ist – einerseits ist es als Blogger ja fast schon ein Muss und der Austausch macht auch manchmal Spass – andererseits, so ganz ohne, das war schon irgendwie schön 😉
Liebe Grüsse
Ariana
Hi Ariana!
Danke für Deinen Kommentar – da hab ich gleich mal rübergelinst, worüber du schreibst. Die Kategorie „Wenn wir heute gemeinsam ein // trinken würden, würde ich Dir erzählen dass… “ gefällt mir irre gut! Großartige Idee!
Nach so langer, zufriedener Zeit zurück in die sozialen Medien zu kehren, ist ein interessantes Experiment. Ich bin gespannt, ob Du dabei bleibst oder es langfristig doch wieder lässt! Wenn du irgendwann in ein paar Monaten plötzlich ans „Aufhören“/“Weitermachen“ bzw an den Artikel hier denkst, würde ich mich riesig über ne Mail von Dir freuen. Was Dich wohl dazu bewegt? Wie s dir bis dahin ergangen ist?
Liebe Grüße 🙂
Erika
Man kann auch eine Zwischenweg gehen. Einfach mal damit anfangen, alle Benachrichtigungstöne- und meldungen zu deaktivieren und nur zu festen Zeiten nachzuschauen. Auf Tour ist das Handy eh im Flugmodus und wenn man in die Kneipe geht, dann kann es im Auto bleiben. Die Menge macht das Gift, wie überall.
Hi Tom,
auf diese Weise habe ich bereits den Herbst verbracht, aber es hatte bei mir persönlich bei Weitem keine so intensive Wirkung wie jetzt der komplette Verzicht. Im Gegenteil – wenn ich dann mal reingeschaut habe, hat es mich umso mehr aufgewühlt. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu sensibel für das Zeug 😉
LG!
Erika
Oh ich kann Dich sehr gut verstehen. Im Grunde geht es mir in beinahe jedem Urlaub so, dass ich nach 1-2 Tagen gleichbleibender Sichtbarkeit in den Medien mehr und mehr abschalte. Unterwegs auf Wanderungen bleibt mein Smartphone sowieso überwiegend im Rucksack, wenn ich hier vor die Türe gehe, liegt es daheim und stört mich nicht.
Digitale Auszeiten sind wichtig, um überhaupt noch ansprechbar zu sein. Mich nervt meine Angewohnheit abends, nachdem der Rechner ausgeschaltet ist, immer wieder bei Twitter und FB nachzuschauen ob da etwas „wichtiges“ passiert ist. Eine Lösung, die mir hier gerade einfällt, mein Telefon abends auf stumm schalten. Dann ist die Gefahr geringer aufmerksam zu werden.
Ich bin gespannt, wie es Dir jetzt in der Zukunft geht, ob sich die Gewohnheiten wieder einschleichen.
LG Elke
Hi Elke,
ha, erwischt: Das Handy am Feierabend. Oder (bei mir) morgens, gleich nach dem Aufwachen. Kommt mir bekannt vor! Ich habe die Ladestation für mein Handy schon im letzten Jahr an einen Ort verfrachtet, an dem ich nicht ständig vorbeikomme und habe es seither ausschließlich auf lautlos. Mein Handy-Provider hat mir insofern auch geholfen, weil ich seit Wochen in der Wohnung keinen Empfang mehr habe. Noch ein Grund, der das Handy unwichtiger macht 😉
Ich bin auch gespannt, wie es nun weitergeht. Wenn der Job dran hängt, macht es die Entscheidung etwas komplexer, aber egal – es kommt, wie’s kommt 🙂
Liebe Grüße!
Erika
Liebe Erika,
freut mich (oder richtiger: freut mich nicht), dass es dich auch erwischt hat. Ich kenne das Gefühl sich von den sozialen Medien getrieben fühlen. Für mich hat sich der Antrieb für meine Touren auf einmal falsch angefühlt. Eine Pause und noch viel wichtiger, dieses Gefühl zu „Papier“ zu bringen, hat geholfen wieder den richtigen Fokus zu setzte. Und jetzt, jetzt geht’s auch wieder mit FB und Co, aber viel gelassener. Freut mich, dass du mit der Pause auch deinen Weg gefunden hast.
Liebe Grüße
Flo(h)
PS: mein wichtigstes Ventil, war damals dieser Blogpost: https://www.boulderniete.com/2018/12/abendspaziergang-auf-den-rauhen-kopf.html
Hallo Erika,
oh ja, es ist unglaublich wieviel Zeit am Smartphone bzw. Online verplempert wird. So eine Stunde am Tag ist da ja ganz locker drin. Das erstaunt mich immer wieder.
Obwohl ich mich lange gegen FB stäubte, so treibe ich mich dort mittlerweile am meisten herum. Allerdings nicht mehr im Outdoorbereich. Der ist auch sehr stark zurück gefahren, Blog eingestampft (keine Motivation mehr), auf Twitter den Blog-Account stillgelegt und meine ersten wieder „aktiviert“ und alles dort versammelt (Ausmisten). Und schließlich Instagram eher hin und wieder nur mal schauend…
Es gibt mittlerweile wichtigere – und befriedigendere – Dinge zu tun. Zu Hause (Garten) und Dienstreisen (Garten finanzieren ;-). Etwas schaffen, etwas reales schaffen, das beschreibt es wohl am besten. Das Erschaffte kann ich mir anschauen, von vorne, von hinten, von oben (nein, nicht von unten), in der Hand halten und ggf. andere mit etwas selbst geschaffenen beschenken. Letzteres zwar noch nicht, aber mit der Gestaltung des Grundstücks rund um die Stromberger Hütte geht es mir gut. Richtig gut. Das geht in Social Media nicht (Naja, so einige Deiner Bilder sind ja schon so etwas wie ein Geschenk, z.B. an Leute wie mich, die zu weit von den Bergen weg wohnen).
Hin und wieder juckt es mich schon mit der Stomberger Hütte einen neuen Blog zu machen, viele, viele Ideen sind da – nur die Muße nicht. Noch nicht?
Viele Grüße,
Bernd
Hallo Erika,
Privat habe ich mich schon vor langer Zeit von FB und Co verabschiedet. Auf Instagram habe ich gar nicht erst angefangen.
Man merkt schon nach ein paar Tagen das man viel Entspannter ist wenn man nicht mehr so oft auf das Handy schaut ob was passiert ist und hat wieder deutlich mehr Zeit für echte Freunde und Nachbarn.
Ein Telefonat mit einem guten Freund ist doch viel Wertvoller als ein paar Likes auf einem Sonnenuntergangs Foto.
Grüße
Dietmar