Schon wieder der Wecker auf fünf Uhr gestellt. Und schon wieder aufgewacht, Wetter gecheckt und „och neeein“ gedacht. Diesmal war es wirklich eine dicke Wolkensuppe, kein Stern schaute heraus. Aber ausgemacht ist ausgemacht und die Hoffnung, womöglich über die Wolkendecke zu gelangen, war noch da – wenn auch sehr klein, denn der Hügel, den wir diesmal ausgesucht hatten, war wirklich nicht hoch. Reichts? Reicht’s nicht? Wohl eher nicht…
Da hätten wir auch im Bett bleiben können. Während wir eine Stunde lang durch dichten Nebel im Blindflug der Navi-App folgten, wünschte ich mich zurück ins Bett. Aber es hilft nichts, immerhin hatten wir Schnee – das war gestern noch unsere größere Sorge. Der Hang oberhalb von Sonthofen ist der Sonne ausgesetzt und verhältnismäßig niedrig. Wir waren durch herbstliches Grün zum Parkplatz hochgefahren, erst in der letzten Kehre kam plötzlich doch noch ein Hauch von Schnee. Gerade so, dass es für die Ski reichte.
Grau in grau
Nun hatschten wir durch eine graue Schemenlandschaft nach oben, nur unmerklich wurde es heller. Kurz unterhalb des Grates sahen wir einen blauen Schein hinter den Bäumen. Keiner von uns wagte es auszusprechen und so trotteten wir weiter. Als ich mich kurz umdrehte, um den Abstand zu meinen Kollegen zu checken, dann plötzlich: Sprachlosigkeit. Wie…also… was… also… WAU!
Grau in… blau!?
Wir waren tatsächlich durch die Wolkendecke gestochen, ein feiner blauer Streifen hob sich am Horizont ab von dem endlosen Wolkenmeer. Es war ganz glatt, unbewegt, hellgrau – dahinter leuchtete der Himmel in der blauen Stunde, es wurde ganz langsam Tag. Wir schauten, staunten, jubelten uns zu – die Stimmung war magisch! Ganz langsam wurde es von Westen her orange, die einzelnen Inseln im Wolkenmeer – der Grünten, die Nagelfluhkette, ganz hinten der Ifen – hoben sich stumm empor. Beim Anblick wurden wir ganz klein. Es war so schön!
Bergsprint
Als wir den Sattel erreichten, war der Himmel bereits in ein sattes Orange-Violett übergegangen und während wir noch ganz gebannt in Richtung Westen starrten, schob sich hinter uns der rosa Streifen der aufgehenden Sonne immer weiter an den Horizont. Wir aber standen mitten im Wald! Scheiße! Ich liebe doch den Moment, wenn die ersten Strahlen die Bergspitzen erreichen – aber hier im Wald konnten wir das nur durch einzelne Lücken erahnen. Einzige Lösung: Gipfelsprint. SPRINT! Die letzten 100 Höhenmeter legte ich mit Puls von etwa 400 zurück. Manchmal, wenn ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr oder auf Berge steige, frage ich mich, was wohl passieren müsste, damit ich nun so richtig loslegen würde – ich bin von Haus aus gemächlich, da braucht es schon viel, um mich aus der Reserve zu locken. Ein abfahrender Zug? Ach, der nächste kommt bestimmt. Der wartende Chef? Der wird das schon verstehen. Aber hier, jetzt, heute packte mich die Motivation. Die Sonne richtet sich nicht nach anderen, wenn ich den „Touchdown“ der ersten Strahlen erleben wollen würde, müsste ich jetzt loslegen. Und das tat ich – und schaffte es tatsächlich noch einigermaßen pünktlich zum Gipfel. Cool, das braucht es also, um mich aus der Reserve zu locken. Weiß ich das jetzt auch. Alter Foto-Suchti.
Steine und breites Grinsen
Die Abfahrt wählten wir über eine weniger bekannte Schneise, nahmen noch mehr herrliche Eindrücke und einige Steine mit und cruisten über weite Flächen wieder zurück zum Auto. Die Ski hatten gelitten, wir aber waren fröhlich bis über beide Ohren. Es lohnt sich einfach immer, früh aufzustehen.
1 Comment
Mensch Erika,
das hat sich ja wirklich gelohnt so früh aus dem Bett zu fallen.
Klasse Bilder, da sehnt man sich doch direkt in die Alpen.
p.s. das Bild 4 im Aufstieg ist ja mal Mega stark.