Angst beim Klettern: Interview mit Nervenqueen Ines Papert

Mai 13, 2016

Hi Ines! Sag mal… Du bist mit Deinen Begehungen wildester Touren in Fels und Eis für mich eine der inspirierendsten Ladies in der Kletterszene – du scheinst Deinen Kopf im Griff zu haben! Stimmt das denn? Hast Du selten Angst oder ist dieses Gefühl auch für Dich an der Tagesordnung?

Riders on the storm © Thomas SenfDie Angst ist mein ständiger Begleiter, mal mehr, mal weniger. Oder nennen wir es Respekt. Durch diesen hab ich immer ein waches Auge und nehme Einflüsse von außen besser wahr. Aber Angst kann auch lähmend sein. Deshalb versuche ich in schwierigen oder riskanten Routen die Angst auszublenden. Manchmal gelingt es und dann passiert auch nichts. Würde ich mit zu viel Angst weiterklettern, wäre ein Sturz vorprogrammiert. Also reiße ich mich zusammen. Atmung. Konzentration…

Hattest Du früher denn mehr Angst? Oder warst Du da schon immer so robust?

Ich war nie ein extrem ängstlicher Mensch, aber früher hatte ich noch weniger Ängste. Das hat wohl damit zu tun, das ich aufgrund mangelnder Erfahrung einfach oft nicht wusste, wie gefährlich es ist. Das hat sich geändert, jetzt gehe ich kein zweites Mal in eine Wand wie in Patagonien, wo mir das Restrisiko zu hoch erscheint. Ich hatte dort zu viel Glück und will es einfach nicht herausfordern.

Dort war auch das letzte Mal, dass ich mich wirklich gefürchtet habe. Aber eigentlich mehr beim Schlafen als beim Klettern, denn uns sind in der Nacht im Portaledge die Steine um die Ohren geflogen. Und im Schlaf zu sterben ist dann doch keine schöne Vorstellung.

Packesel Papert und Smith-Gobat. © Thomas SenfHast Du beim Zustieg zu schweren Touren eigentlich Bammel? Wie gehst Du damit um?

Ich schlafe unruhig in der Nacht vor dem Aufbruch und träume schrecklich. Aber ich kann das alles wegblenden, sobald es etwas zu tun gibt. Ein starker und vertrauensvoller Partner vermittelt mir außerdem das Gefühl, dass es keinen Grund für Angst gibt.

Wie stellst Du Dich der Angst?

Ich wage mich immer ein bisschen weiter vor, bereite mich körperlich extrem gezielt vor. So fällt schon mal die Angst weg, mich könnte die Kraft verlassen. Ich gehe einfach klettern, das nimmt mir die Angst. Kein meditieren, keine Hirnwäsche… einfach klettern. Aber da bin ich von Natur aus wahrscheinlich ein wenig bevorzugt.

© Thomas SenfLeuten mit Sturzangst rate ich ganz klar, auf jeden Fall immer im Vorstieg zu klettern – Toprope hilft da rein gar nichts. Und dann eben bewusstes Sturztraining, das mache ich auch manchmal, wenn ich Angst habe. Man muss ja nicht gleich fünf Meter über dem letzten Bohrhaken abspringen.

Und wenn dann die Angst doch mal kommt, tief und hörbar atmen. Ich selbst lasse so vor einer schweren Stelle den Puls ein bisschen absinken und starte dann überzeugt nach vorn.

© Thomas SenfGlaubst Du, dass Männer einen anderen Zugang zur Angst haben? Oder ist es bei ihnen das gleiche, bloß dass sie es nicht so sehr merken oder zeigen?

Die haben genauso ihre Ängste, davon bin ich überzeugt. Sie meinen halt, sie nicht zeigen zu dürfen.

Letzte Frage! Du bist für viele – Mädels und Jungs gleichermaßen – ein Vorbild. Hast Du selbst auch Leute, die Dich inspirieren?

Viele! Ganz besonders jetzt, seit unserer Rückkehr aus Patagonien sind es Kurt Albert, Wolfgang Güllich, Bernd Arnold und das ganze Team. Die haben zu dieser Zeit eine unglaublich schwierige Tour erstbegangen. Davor ziehe ich den Hut.

Geschafft! Merci vielmals für Deine Zeit. Ich wünsch Dir jetzt schon eine richtig gute Sommersaison!

Zur Website von Ines Papert.

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von © Thomas Senf

Dieser Artikel ist Teil der Reihe „Anstbewältigung beim Klettern“. Hier geht es zur Übersicht.

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