Teil 2: Hintere Schwärze Nordwand (3624 m)

Mai 20, 2015

Das ist der zweite Teil unseres Wochenendes auf der Martin Busch Hütte.
>> Hier gehts zum ersten Teil (Finailspitze)

Es ist stockdunkel, nur die Sterne und die schneebedeckten Gipfel um uns herum leuchten. Ich bin nervös und habe ein seltsames Gefühl im Bauch. Es sind so viele Unsicherheiten bei dieser Tour. Der bergsturzgefährdete, weglose Abstieg ins Bachbett, die offene Frage, ab wann wir die Ski überhaupt anziehen können, ein spaltenreicher Gletscher, ein weiter Zustieg und zu guter letzt: meine erste Nordwand. Ich hab Schiss.

_DSC74823 Uhr früh: 200 Höhenmeter absteigen, nur um dann wieder 1300 Höhenmeter aufzusteigen. Über wegloses Geröll. Mit Skischuhen an den Füßen und schwerem Seil im Rucksack. Immer einen bergsturzgefährdeten Hang im Rücken. Mitten in der Nacht. Wie bescheuert ist das eigentlich? ging es mir immer wieder durch den noch verschlafenen Kopf, bis wir endlich im Bachbett genügend Schnee für die Ski fanden. Es war bereits eine Stunde vergangen und wir befanden uns noch keine 500 Meter Luftlinie von der Hütte entfernt.

Es wird Tag

_DSC7493Als wir auf den Marzellferner gelangten, leuchteten die Schleierwolken violett und der Similaun direkt vor uns in herrlichem Morgenrot. Wir liefen ohne Seil, die Spalten waren ohnehin alle zu, die Schneedecke pickelhart. Ich spürte das tägliche Bike-To-Work-Training, fühlte mich trotz des Seils überraschend fit. Und doch wurde ich das ungute Gefühl im Bauch nicht los. Ich war mir nicht sicher, ob es einfach Angst oder womöglich eine Vorahnung war, nahm mir aber vor, speziell darauf zu achten und notfalls sofort abzubrechen. Gerald bestärkte mich darin und sprach mir zu. Das machte mir Mut. Abzubrechen, bevor es überhaupt wirklich losging – das würde ich bereuen, das wusste ich.

7 Uhr: Am Einstieg

Nach 3,5 Stunden standen wir am Einstieg.Und dann standen wir plötzlich vor ihr: Vor der Nordwand der Hinteren Schwärze. Sie sah nicht ganz so schlimm steil aus, das Wetter war perfekt, das Gipfelkreuz trotz der 250 Höhenmeter Differenz zum Greifen nah. Das negative Gefühl verflog augenblicklich. Ich war motiviert. Wir waren wegen dieser „Nordwand*“ hier, ich hatte es mir gewünscht! Ich will da rein!

(*Schneefeld täts auch beschreiben, klingt aber natürlich nur halb so wild…)

 

Auffi gehts!

_DSC7525Mit Ski am Rücken und Zacken an Händen und Füßen wühlten wir uns anfangs noch durch eher tiefen Schnee, trafen im steilen Mittelteil auf wenig bedecktes Eis und waren froh, am Grat endlich die Waden entlasten zu können. Anstrengend war diese Art des Aufstiegs, aber nicht bösartig ausgesetzt oder irgendwie gruselig. Ich fühlte mich die meiste Zeit wohl – nicht zuletzt, weil ich einen großartigen „Seil“partner hatte, der sich entzückend um mich kümmerte – auch wenn das Seil im Rucksack blieb. Dennoch war ich froh, nach gut einer Stunde oben auf den Grat zu steigen. Die Sonne tat gut, die Aussicht und vor allem die Tiefblicke auf der anderen Seite waren schlichtweg atemberaubend. Ein Traum!

Dankbarkeit für dieses Leben

GOPR2542_1431977098217_lowDer Blockgrat zum Kreuz war schnell gemacht und so fanden wir uns keine sechs Stunden nach Aufbruch auf einem abermals extrem schmalen, ausgesetzten Gipfel. Ich! Auf der Hinteren Schwärze! Auf dem Gipfel, von dem ich vor zwei Jahren noch überzeugt war, sicher niemals hier zu stehen. Und dann auch nicht mal über den Normalweg. Ich war komplett geflashed und soo glücklich, an diesem herrlichen Fleck Erde zu stehen. Die beiden Jungs hatten ihr Versprechen eingelöst und wirklich super auf mich aufgepasst. Und ich fragte mich im Stillen, auf welchem derzeit noch völlig undenkbaren Gipfel ich womöglich in weiteren zwei Jahren stehen würde?! Ich war unglaublich dankbar.

Und wieder retour

_DSC7567Aber einen Gipfel „hat“ man ja erst, wenn man wieder unten ist – und bis dahin warteten durchaus noch einige Gefahren: Eine steile Gipfelflanke, der spaltenreiche Gletscher, all die Lawinenkegel im Bachbett und nicht zuletzt dieser bescheidene Wiederaufstieg zur Hütte. Ich stieg die ersten paar Meter zu Fuß ab, weil mir die Option, die Nordwand nach einem Fahrfehler wieder hinunterzuschlittern, wenig verlockend vorkam. Die Abfahrt über die breiten Gletscherhänge war dann trotz gefrorener Oberfläche der Oberhammer und auch das Bachbett konnten wir dank der cleveren Spurenanlage der Jungs fast gänzlich rausfahren.

Mal wieder auf dem Zahnfleisch

Weit und breit kein Schnee mehr. Dafür loses Geröll, Mittagshitze, schwerer Rucksack, unbequeme Stiefel. Und dann zeigte uns die Hintere Schwärze auf den letzten Metern doch noch den Stinkefinger. Der Aufstieg war zäh, so zäh! Die Schuhe drückten, der Rucksack wog schwer, das Geröll war lose, die Sonne brannte und die Schneefelder trugen überhaupt nicht mehr. Wir alle suchten immer stoischer unseren Weg und machten jeder für sich drei Kreuze, als wir endlich, endlich auf den schneefreien Hüttenweg trafen. Und plötzlich fiel all die Anspannung ab. Geschafft! GESCHAFFT!!! Nicht nur die Nordwand, sondern auch den Zustieg, den Gipfelgrat (vor dem hatte ich nämlich schon auch Bammel 😉 ), die Abfahrt, den Wiederaufstieg und überhaupt: die Hintere Schwärze! Mein Traumberg von 2013. Unglaublich!

Erstmal Schnauze voll vom Biken

Greeeeat FUN....Wir verputzten auf der Sonnenterrasse der Hütte die letzten Vorräte und rollten nach einer gemütlichen Mittagspause auf den Bikes bis nach Vent – natürlich nicht ohne ausgiebig über all die Lawinenkegel zu schimpfen, die zu Fuß überquert werden mussten. Aber auch die ließen wir irgendwann hinter uns und ja, tatsächlich, irgendwann kamen wir wirklich an den Autos an. Während andere im Büro ihren zweiten Nachmittagskaffee holen und sich aus ihrem Mittagskoma kämpfen, schmissen wir die schweren Rucksäcke auf den Parkplatz und fielen uns in die Arme. Was für Touren! Was für Gipfel! Was für ein Wetter! Was für ein gelungenes Wochenende. Unglaublich.

Vielen Dank fürs Mitorganisieren, Mitkommen, Aufpassen, Helfen, Schleppen, gut zureden und überhaupt. Es war so genial. Auf ein nächste Mal!

PS: Bei meinem Partner BERGZEIT gibt’s auch noch Bilder, wie die Tour im Sommer aussieht. So viel sei verraten: Anders. Ganz anders 🙂 ! Hier entlang!

 

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11 Comments

  • Reply Bernd | KritzelKraxel.net Mai 20, 2015 at 8:06 pm

    Gratulation, Erika & Jungs!
    Der Berg jagte mir bei meiner sommerlichen Ötztaler Runde eine Menge Respekt ein. Allein der Normalweg sah recht steil aus. Das war 2012, wenn ich mich recht erinnere. Aber auch ich werde dort sicher einmal stehen, mal sehen, wann dies sein wird.
    Vielleicht ja schon bald?

    Viele Grüße aus Westfalen, leider viel zu weit für eine Wochenendtour in den Alpen…
    Bernd

  • Reply Rebecca Mai 21, 2015 at 7:34 am

    Och man, das ist echt gemein! Wir hatten diese Tour auch schon für diesen Frühling im Kopf, aus verschiedenen Gründen werden wir es aber wohl dieses Jahr leider nicht schaffen. Dir (bzw. euch) aber Herzlichen Glückwunsch zu dem gelungenen Wochenende und den beiden Gipfeln! Deine Beschreibung wird für uns sicher sehr hilfreich sein.

    Liebe Grüße

    Rebecca

  • Reply Sabrina Mai 22, 2015 at 9:14 am

    Liebe Erika,

    Du beweist immer wieder, dass Du egal wie oft Du am Zahnfleisch gehst, reichlich davon haben musst! Hammer – der Berg ist einfach toll! Egal ob nun Nordwand, Steilflanke oder Schneeflanke! 🙂 Bravo!

    LG Sabrina

  • Reply gerdi Mai 22, 2015 at 9:37 am

    Großes Kompliment an meine Jüngste! Phänomenal beschreiben, echt stark gemeistert. Ich hatte gebetet, und 3 Zusatz-Schutzengel gesandt. Waren eindeutig mit on tour… Ja, danken mußt du. Ein Riesenbrocken an Erinnerung für später… Wir bringen heute unser gutes altes Segelschiff von der Werft aus ins türkische Meer. Es hat 25°, kobaltblau leuchtet die von uns schon oft besuchte Ankerbucht der Peninsula Bozburun, dann segeln wir los nach Marmaris, Schrauben suchen, die die auf der Werft versemmelt haben (Heckreling-Fixierung!!!) Dann erst gen Osten Richtung „Traumklettergebiet“ Antalya :-)…später Ägäis, Endziel Korfu. Alles Gute und Gottes Segen. 1. Blogartikel ist auf : http://eossegeltoern.wordpress.com/

  • Reply Andi Mai 22, 2015 at 11:54 am

    Gratulation zum Gipfel !!!

    Hab grad deinen Blog entdeckt, da ich meine Kamera vergessen hab kann ich mir jetzt deine Bilder anschaun. War die Hütte wieder übervoll ? – bei unserer Abfahrt sind uns noch einige entgegen gekommen.

    • Reply ulligunde Mai 23, 2015 at 5:35 pm

      Hi Andi! Das ist ja lustig, dass hier immer mehr vom Wochenende auf meinen Blog stoßen 😉 Der Winterraum war am Sonntag schon auch nochmal voll, zwei Leute mussten den Boden nehmen… War trotzdem ok, aber wir waren ja auch die, die als erstes wieder geweckt haben 😉

      Vielleicht sieht man sich ja mal wieder am Berg!

      LG,

      Erika
      ulligunde.com

  • Reply Michael und Brigitte Juni 2, 2015 at 9:36 pm

    Du machst wunderschöne Touren, wunderschöne Bilder und schreibst wunderschöne Berichte. Macht einfach Spaß!
    Wir waren im Oktober 2011 auf dem Similaun, eine tolle Tour, und da hab ich sehnsuchtsvoll auf die Hintere Schwärze geschaut – mal sehen, vielleicht wagen wir Oldies uns auch noch mal dran. Danke für den Post!
    LG Michael und Brigitte

  • Reply casi September 28, 2015 at 11:57 pm

    will da wieder hin. winter! sofort!

    • Reply ulligunde September 29, 2015 at 11:53 am

      Gute Erinnerung, gell!

  • Reply Florian Westermann Januar 19, 2016 at 1:12 pm

    Hallo Erika,

    Gänsehaut – mal wieder! Wahnsinn, was ihr da leistet, ganz großen Respekt!

    Liebe Grüße
    Florian

    • Reply ulligunde Januar 20, 2016 at 8:12 pm

      Merci Florian! Alles halb so wild 😉 Aber trotzdem Danke! LG!

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