Mit dem Zelt zur Trolltunga

August 6, 2014

Viele kommen uns entgegen. Schweißüberströmt, einige mit schrecklichen Sonnenbränden, die Mädels durchgehend nur noch im BH. Einige humpeln heftig, sie sehen wirklich schlimm aus. Ein Hund liegt hechelnd und völlig am Ende auf dem Weg, sein Herrchen streichelt ihn verzweifelt. Um Gottes Willen, auf was haben wir uns eingelassen?

Rocktrip-8345Unsere Rucksäcke wiegen um die sieben Kilo, wir haben minimalistisch für diese Zeltnacht gepackt. Topf, Kocher, Sprit und Koch-Zutaten bleiben unten, das ist einfach zu schwer. Stattdessen gibt’s heute und morgen Brot. Wir scheuen nicht das Gewicht selbst, sondern die große Hitze. Es ist fünf Uhr nachmittags und in der Sonne kaum zu ertragen. Unser Thermometer sagt deutlich über 30 Grad, wir aber starten und schwimmen gegen den nicht enden wollenden Strom. Hi, hej hej, hallo, hej hai. Man kommt aus dem Grüßen kaum noch raus.

Durch die Hitze nach oben

Selbst im Wald, durch den die ersten 400 Höhenmeter führen, ist es schwül. Wir legen einen Zahn zu, überholen bereits jetzt Gleichgesinnte, die ebenfalls oben übernachten wollen. Alle haben riesige Rucksäcke, nur ein Pärchen aus Bayern scheint nicht gerade mit dem Zelt aus dem Baumarkt unterwegs zu sein. Wir schaffen den ersten Anstieg in einer halben Stunde. Wenn man die Hitze einmal akzeptiert hat, geht es ganz gut. Nach einer gefühlten Stunde sehen wir ein orangenes Schild am Weg: 10 km / 1 km. Holy moly, es sind noch zehn Kilometer, erst einer ist geschafft. Gefühlt sind wir schon seit einer Stunde unterwegs. Das könnte ein langer Abend werden. Immerhin ist es lang hell.

Gemacht für die Massen

Rocktrip-8342Nach dem nächsten steilen Anstieg gibt es aber bereits das nächste Schild, bald noch eins… Der Weg führt durch eine herrliche Landschaft – vorbei an kleinen Bergseen, durch glasklare Bäche, der riesige Folgefonna-Gletscher im Hintergrund, rechts unter uns der Ringedalsvatnet, ein türkisblauer See, eingerahmt von tausend Meter hohen Klippen. Eine spektakuläre Gegend.  Nach der Hälfte der Strecke wird der Weg etwas zäh, man hat das Ziel bereits vor Augen, kommt aber nicht recht voran.  Der Pfad ist perfekt für leichte Turnschuhe hergerichtet, kein Bach, den man nicht trockenen Fußes überqueren kann – völlig ungewöhnlich für Norwegen. Aber  bei diesen Touristenmassen muss das wohl sein. Ich hingegen bereue es, meine schweren Stiefel anzuhaben, mit den leichten Laufschuhen wäre es angenehmer. Macht aber nichts, wir kommen auch so voran und ich patsche „dann erst recht!“ durch die Bäche.

Spiel mit der Kamera!

Rocktrip-8367Nach gut dreieinhalb Stunden sind wir da. Die (Klippen-)Landschaft ist so aufregend, dass ich die Trolltunga im ersten Moment gar nicht sehe. Ah, da! Wir essen erstmal was, lassen zwei andere Gruppen vor. Jeder will ein Foto von sich allein auf dem berühmten Vorsprung haben – es wird brav gewartet, Kameras werden ausgetauscht, Smalltalk in der „Schlange“ gehalten. Für die berühmten Sprungbilder müsste man als Fotograf einen gruseligen Absatz runterklettern – klettern tut niemand, springen dafür umso mehr. Und nicht nur das, der eine hat extra ein Buch mit hochgebracht, setzt sich an die Kante und liest. Oder tut zumindest so, er fühlt sich sichtlich unwohl mit so viel Luft unter den Sohlen. Überhaupt haben sich viele besondere Posen ausgedacht, das ist nett anzuschauen.

Handstand auf der Trolltunga

Rocktrip-8372Es ist eine angenehme Stimmung hier oben, alles sehr entspannt und ganz ohne Hektik. Sammy übt seit dem Beginn unserer Reise (ist das wirklich schon vier Monate her?) den Handstand – Ziel war immer einen auf der Trolltunga zu machen. Ich kann kaum hinsehen, wie er da auf dem schmalen Felssteg rumhampelt und drücke ohne wirklich durch den Sucher zu schauen ab. Haben wir dieses Foto also auch. Schön. Wir Touris J

Ein unerwartetes Highlight

Preikestolen, TrolltungaWir schlagen unser Zelt auf einer schönen Anhöhe auf und machen uns auf, den 20 Minuten entfernten Preikestolen noch anzuschauen. Nicht der berühmte große, sondern ein kleinerer, weniger bekannte. Wir wissen nicht, was uns erwartet und sind, als wir plötzlich davor stehen, dann doch ziemlich baff. Ein kleine Felsvorsprung, der vielleicht drei Meter nach vorne ragt, ein Meter breit und weit mehr als 1.000 Meter Luft darunter. Ein luftiges Plätzchen! Eigentlich genauso spektakulär wie die Trolltunga, aber nichts für schwache Nerven. Selbst er fühlt auf diesem ausgesetzten Platz einen Sog in die Tiefe.

Wir genießen mit Pistazien, frischem Bergwasser und in Begleitung von allerlei Lemmingen und unbekannten, großen Vögeln den Sonnenuntergang an diesem einsamen Plätzchen. Es hat sich gelohnt, diesen Touristenpfad zu gehen und das Zelt mitzuschleifen.

Die Zeit läuft ab

Rocktrip-8456Der Wecker klingelt um halb fünf. Sonnenaufgang ist eine halbe Stunde später, Sammy wollte noch ein Handstand-Bild im Sonnenaufgang. Dass die Sonne bei ihrer flachen Bahn aber Stunden brauchen wird, um endlich auch die Trolltunga zu erleuchten, haben wir natürlich vergessen. Um sechs haben wir genug gewartet und starten den Rückweg. Wir haben es etwas eilig, unser Parkticket läuft um 8.52 ab. In den Bergen hetzen, weil das Parkticket im Tal abläuft, schon irgendwie absurd. Aber da sind wir dann doch Schwaben – an solch einer Touri-Geschichte 25 Euro für den Parkplatz zu bezahlen, sehen wir nicht ganz ein, deshalb nur das 16 Stunden-Ticket. Dann laufen wir lieber etwas schneller.  Seltsamerweise brauchen wir für den Rückweg (1.200 Meter Abstieg, nur 200 im Aufstieg!) fast ähnlich lang wie für den Aufstieg und überziehen unser Ticket um ganze 20 Minuten. Aber das zweite Frühstück und das Bad im See mussten einfach noch sein, bereits um neun Uhr war es schon wieder schrecklich warm.

Fazit?

Trolltunga im Abendlicht.

Trolltunga im Abendlicht.

 

Es war eine herrliche Nacht an der Trolltunga! Besonders der Sonnenuntergang am kleinen Preikestolen war ein tolles Erlebnis. Wer nicht ganz so viel Zeit hat, für den bietet sich an, die Tour mit minimalstem Gepäck, leichten Turnschuhen und an einem Tag zu machen, das ist angenehmer als mit Wanderstiefeln und großem Rucksack. Viel mehr als eine Flasche Wasser, Sonnencreme und einer Jacke ist im Grunde nicht nötig. Wasser gibt es oben genug und wer um sieben oder acht an der Trolltunga steht, muss noch keine Menschenschlangen fürchten.  Für uns war die Nacht im Zelt aber sich ein Highlight unserer gesamten Reise!

 

 

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6 Comments

  • Reply Magnus Bühl August 6, 2014 at 5:57 pm

    Klasse Bericht Erika, das macht Lust früh um 5 Uhr loszugehen

  • Reply Thomas August 6, 2014 at 7:39 pm

    Im vergangenen Jahr habe ich genau wie ihr zusammen mit meiner Freundin eine Nacht an der Trolltunga verbracht. Ich kann euch nur zustimmen: einfach ein grandioses Erlebnis! http://www.thomasguthmann.de/blog/norway-norwegen-skjeggedal-trolltunga/

    Euch weiterhin ganz viel Spaß!

  • Reply Adrian Feistl April 17, 2018 at 10:26 pm

    Cooler Bericht aber es ist ein Fehler drin. Der Preikestolen ist nicht am gleichen Berg. Der ist paar Kilometer weg.

    • Reply ulligunde April 18, 2018 at 8:25 am

      Hi Adrian,
      da ist insofern kein Fehler drin, weil das so nicht drin steht 😉 In der Nähe der Trolltunga ist kleiner Felssvorsprung, der ein wenig wirkt (!), wie sein großer Bruder Preikestolen. Allerdings mit 99,5% weniger Leuten 🙂
      LG!
      Erika

      • Reply Alex Juni 14, 2018 at 12:42 pm

        Hallo ulligunde,
        Ist der kleinere Felsvorsprung ausgeschildert oder wie finden wir den am besten?

        Bin in 2 Monaten Vor Ort.

        Danke
        Alex

        • Reply ulligunde Juni 14, 2018 at 12:44 pm

          Hi Alex,
          der Punkt ist nicht ausgeschildert, man wandert einfach noch einige Minuten entlang der Kante. Es führt ein Pfad in die Richtung und der Vorsprung selbst ist schnell erkannt.
          Liebe Grüße!
          Erika

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