Kleiner Umweg zur Arbeit

Oktober 31, 2013

Outdoor-Blogger sollen inspirieren. Vor zwei Tagen las ich einen gelungenen Artikel eines Kollegen, der mich so bannte, dass ich gar nicht mehr still sitzen konnte. Klar, die Idee diese Tour möglichst schnell zu laufen, ist definitiv nicht neu, aber beim Lesen des Artikels und vor allem beim Anschauen seiner Bilder stand fest: Will ich auch. Jetzt!

Abends um halb neun ist es natürlich eine etwas ungeschickte Zeit für solch eine Tour, aber wenn nicht heute dann eben… übermorgen. „Meister Knilch, ich habe da eine etwas verwegene Idee!“ schrieb ich kurz darauf wiederum einem anderen befreundeten Blogger. „Sehr gut!“ seine Antwort. Yeah, solche Freunde braucht man. Also verabreden wir uns für übermorgen, fünf Uhr (ja, morgens) in Immenstadt. Große Euphorie.

Erst das Vergnügen, dann die Arbeit

Am nächsten Morgen die etwas zaghafte Frage beim Chef, ob ich etwas später kommen könne. Grundsätzlich erlaubt unser Arbeitszeitenmodell solche Ausnahmen, solange man am Ende auf seine Stunden kommt. „Was hastn wieder Verrücktes vor?„. Verdammt, der Typ kennt mich langsam. Als ich ihm kurz von dem Plan erzähle, kommt das inzwischen übliche, durchaus lieb gemeinte „Die Frau hat’se echt nicht mehr alle, oder?„. Als ich sage, dass ich voraussichtlich gegen halb elf, spätestens elf zurück sein werde, schüttelt er nur umso vehementer den Kopf. Auch irgendwie berechtigt, schließlich ist die Tour normalerweise eine waschechte Tagestour. Es geht noch ein bisschen hin und her und kurze Zeit später steht eine Wette: Wenn ich es unter fünf Stunden schaffe, gibt’s Brezen für die ganze Redaktion. Zwar weiß ich selbst nicht genau, ob ich diese Zeit unterbieten kann, aber macht nichts – muss ich eben noch mehr Gas geben. Noch größere Euphorie! Yeah!

Lampenfieber

Nach einem ungeplant langen und stressigen Arbeitstag komme ich recht entnervt nach Hause. Noch schnell packen, Essen machen, Wecker stellen. 4.25 Uhr. Puuh. Die Nacht ist grausig, ich bin nervös, wache jede Stunde auf – die gefühlt zehn Moskitos und fünf Fliegen im Zimmer (Misthaufen unterm Schlafzimmerfenster lässt grüßen) machen die Sache nicht besser. Euphorie?! Keine Spur! Dass ich mich aber auch immer in solche Situationen bringen muss!

Schönes Allgäu

Endlich klingelt der Wecker doch noch, eine halbe Stunde später stehe ich an unserem Treffpunkt, wiederum eine halbe Stunde später an der Talstation der Hochgratbahn. Abseits der Lichtverschmutzung und des Nebels funkelt ein endloses Sternenzelt, die schmale Sichel des Mondes steht direkt über dem Hochgrat. Unsere Route verläuft zunächst über Schotter- und Teerstraßen und zieht sich ziemlich – dafür wird der Blick zunehmend lohnenswerter. Um uns herum hängt der Nebel in den Tälern, der Himmel verfärbt sich erst hellblau, dann irgendwann rosa. Wir legen einen Zahn zu, um wirklich mit dem Sonnenaufgang am Gipfel zu stehen. Zehn Minuten davor sind wir oben und können uns kaum satt sehen. Ein wolkenloser Himmel, am Horizont alles von violett bis hellorange, im Tal der Nebel, rundherum unsere wunderschönen, weiß bezuckerten Allgäuer Alpen. Sagenhaft.

Hoch, runter, hoch, runter, ho….

Wir verlieren keine Zeit und genießen noch bevor die Sonne wirklich da ist den flowigen Trail hinunter in die erste Scharte. Der erste Anstieg zieht mir die Schuhe aus – ich fühle mich unvorstellbar langsam – liegt vielleicht auch an dem Meister vor mir, der ganz offensichtlich den 70ger Puls heute noch nicht überschritten hat. Macht nix, schneller geht bei mir nicht 🙂 So geht’s voran, steil und lang vom Rindalphorn runter, auf der anderen Seite die gleichen Höhenmeter wieder hoch, auf der anderen Seite wieder runter, dann wieder… naja, Nagelfluhkette halt!

Krampf gegen Breze

Nagelfluhkette auf dem Weg zum BuralpkopfBeim Planen der Tour hatte ich anvisiert, dass wir nach drei Stunden am Buralpkopf stehen sollten, um die Brezen wirklich zu bekommen. Nach 2,5 stehen wir auf dem kreuzlosen Gipfel, nach etwas mehr als drei am letzten Gipfel für heute – ab jetzt geht’s nur noch bergab! Die ersten Krämpfe sind zwar unangenehm, aber jetzt aufgeben kommt auch nicht in Frage. Also weiter! Die letzten Kilometer verlaufen auf einer abschüssigen Schotter/Teer-Straße – kein besonderer Spaß nach so einer Tour, aber gut, um Minuten gut zu machen. Ohne Pause joggen wir bis nach Immenstadt hinein. An der Eingangstür zum Büro steht 4.42.18 auf der Uhr – inklusive Pausen. Das passt! 23 km, 1841 Höhenmeter, unter fünf Stunden – Wette gewonnen. Am Ende also doch noch: Euphorie!!!

 


Der Experte für Outdoor und Touren

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7 Comments

  • Reply Bernd | KritzelKraxel.net Oktober 31, 2013 at 6:17 pm

    Hey, sehr geil Erika! Gratulation! 🙂

  • Reply Fox Oktober 31, 2013 at 7:25 pm

    Chapeau, Frau Kollegin und herzlichen Dank 😉

  • Reply Gerdi Oktober 31, 2013 at 8:42 pm

    Sa-gen-haft! Bist schon eine kleine Berghex’n, gell? Großes Kompliment! Wir wollten heute dem Gast aus Kiew den Pfänderblick zeigen. Von 1-5 Dauernebel und Laufen ohne Sicht in den dichten Wolken, grau in grau. Nur am Sendemast hoch oben probierte die Sonne ein kleines Spiel mit Lichtspiegelungen auf dem Stahlgerüst. Kein See, kein Berggipfel. Schade.

  • Reply Christian Oktober 31, 2013 at 10:13 pm

    Ich glaub‘, dein Chef hat recht: Du bist verrückt. 🙂

  • Reply Birgit November 1, 2013 at 4:57 pm

    und…. wie war’s danach bei der Arbeit ? 🙂
    Komplimente… tolle Leistung und starke Fotos !

    • Reply ulligunde November 2, 2013 at 8:00 pm

      Hallo Birgit! Hm… Also ehrlich gesagt war ich danach schon etwas im Eimer – vor allem der Weg zum Drucker war eine echte Herausforderung 😉

  • Reply Anita November 6, 2013 at 3:59 pm

    Hallo – ich habe deinen Blog gerade eben entdeckt und bin begeistert! Tolle Bilder und eine ähnliche Passion 🙂 Solche Sonnenaufgangstouren sollte man viel mehr spontan unternehmen können – danke für die Inspiration

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